§ 6. Die französische Revolution bis zur Abschaffung d. Königtums. 31
sie oft für die Zukunft brauchbare Ideen enthielten, im Augenblick
nichts helfen konnten. Ohne Rücksicht auf die historische Entwickelung
und das vorhandene Gute schlug rnan den alten Staat in Stücke, wobei
oft der geordnete Gang der Verwaltung völlig unterbrochen wurde.
Von den Beschlüssen, die in den Jahren 1789, 1790 und 1791 bis zur Die wichtigsten
Fertigstellung der neuen Verfassung in Kraft traten, waren die wich- Neuerungen,
tigsten folgende: der Unterschied der Stände, der Adel und die
Mönchsorden wurden aufgehoben; an die Stelle der ständischen
Gerichtsbarkeit traten Richter, die vom Volk aus den studierten
Juristen gewählt wurden, und Geschworenengerichte; die Be¬
amten sollten nach ihrer Befähigung, die Offiziere nach ihrem
Dienstalter angestellt werden (Aufhebung des Stellenkaufs in
Verwaltung und Heer); Frankreich wurde unter Beseitigung der histo¬
rischen Landeseinteilung nach natürlichen Grenzen in 83 Departe¬
ments (mit Kantonen und Kommunen) eingeteilt; die Zivilehe
und die Zivilstandsregister wurden eingeführt und schließlich
wurde durch die Zivilverfassung der Geistlichkeit die Kirche,
deren Güter bereits eingezogen waren, in eine staatliche Einrichtung
verwandelt (Wahl der Geistlichen von den Kommunen, der Bischöfe
von den Departements; Besoldung durch den Staat).
Dies Gesetz über die Geistlichkeit zerriß nicht nur die Nation in zwei
Teile, da die Mehrheit es mit den zwei Dritteln aller Priester hielt,
die den Eid auf diesen Artikel der Verfassung verweigerten, sondern
stürzte auch den streng katholischen König in solche Gewissensbedenken,
daß er dem auf ihm lastenden Zwange sich zu entziehen suchte. Als
er jetzt auch durch Mirabeaus Tod (April 1791) den letzten Zusammen¬
hang mit der Nationalversammlung verlor, machte er mit seiner Familie
jenen unglücklichen Fluchtversuch, der durch seine eigene Sorglosigkeit
in Varennes (in den Argonnen) vereitelt wurde und ihn nach seiner
Rückkehr nach Paris in eine unwürdige Abhängigkeit von der National¬
versammlung brachte. Im September war das große Werk der Ver¬
fassung fertiggestellt und wurde vom König beschworen, während
seine Brüder Ludwig (Graf von Provence) und Karl (Graf von
Artois), die bereits im Auslande weilten, dagegen Einspruch erhoben.
Diese erste Verfassung verbürgte dem Könige die Unverletzlichkeit; er und Me erste Ver-
der gesetzgebende Körper, dessen 745 Mitglieder aus zwei Jahre gewählt wurden, faffun9-
bildeten zusammen die Vertretung der Nation. In die Hand dieses Parlaments wurde
die Aufstellung des Budgets und die Entscheidung über Krieg und Frieden
gelegt. Beamte und Richter gingen aus der Vorwahl hervor, und den 83 De¬
partements wurde die Selbstverwaltung verliehen.
2. Einfluß des Auslandes auf den Gang der Revolution: die
Republik. Die Einrichtung der „Verfassung" brachte die erhoffte
Beruhigung nicht. Denn in der auf Grund der neuen Bestimmungen