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V. Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I.
Ostafrika, 5. das Südseegebiet. Diese Gebiete sind an Flächeninhalt ungefähr
fünfmal so groß wie das Deutsche Reich und haben 12 bis 13 Million farbige
und etwa 7000 weiße Einwohner. Der Verkehr mit dem Mutterlande wird
durch die vom Staate unterstützten Reichspostdampferlinien unterhalten. Diese
Linien sind die ostasiatische, die australische und die ostafrikanische.
Die Dampfer dieser drei Linien gehören dem Norddeutschen Lloyd, der
gegen eine entsprechende Entschädigung die deutschen Postsachen mitnimmt und
sich zu regelmäßigen Fahrten verpflichtet hat. Den Verkehr mit Westafrika
vermittelt die Woermauuliuie, deren Schiffe dem Hamburger Kaufherrn
Adolf Woermann gehören. Im Jahre 1906 ist der Woermannlinie eine von
Bremen ausgehende Konkurrenzlinie erstanden.
Jedes größere Unternehmen, zum Beispiel die Anlage eines Bergwerks,
erfordert ein bedeutendes Anlagekapital, das erst im Laufe der Zeit
Gewinn abwirft. So auch der Erwerb von Kolonien. Indessen ist indirekter
Gewinn auch jetzt schon vorhanden. Der deutsche Kaufmann kauft die Roh¬
stoffe in deu Kolonien und übergibt sie der heimischen Industrie zur Ver¬
arbeitung. Dadurch gewinnen Tausende von Arbeitern Lebensunterhalt. Es
gewinnt also nicht nur der Kaufmann, sondern auch der Arbeiter. Durch
die Einführung der landwirtschaftlichen Maschinen sind viele Arbeiter in der
Landwirtschaft überflüssig geworden. Die Industrie hat ihnen eine neue und
reichlichere Nahrungsquelle erschlossen. Für mehr als 50 Million Mark deutsche
Jndustrieerzeugnisse werden zurzeit »ach unsern Schutzgebieten ausgeführt.
So ist schon unser heutiger Kolonialbesitz ein wertvolles Absatzgebiet für das
Mutterland geworden, und das Innere der Kolonien ist noch nicht einmal
dem Handel erschlossen. Es ist zu hoffen, daß in der Zukunft das Anlage¬
kapital reichlich verzinst wird. Denn die Baumwolle gedeiht in Togo, in den
hohem Lagen von Kamerun, besonders aber im Süden von Deutsch-Ostafrika.
Wir sind daher in Zukunft nicht mehr auf die amerikanische Baumwolle ange¬
wiesen. Die Schafzucht in Südwestafrika liefert Wolle, reiche Erzlager versprechen
einen ergiebigen Kupferertrag. In Kamerun wird Kakao, in Ufambara Kaffee an¬
gepflanzt. Das Südseegebiet liefert Sago, Tabak und Baumwolle. Die großen
Waldbestände in allen Kolonien versprechen eine reiche Ausbeute. Die geringe
Zahl der Eingeborenen erklärt sich ans unaufhörlichen Stammesfehden uud aus
den greuelvollen Sklavenjagden in Afrika, denen durch die deutschen Waffen ge¬
steuert worden ist. Togo bedarf jetzt schon keines Reichszuschusses mehr. /
Die Mittel, unsre deutschen Kolonien ertragsfähig zu machen, sind der
Bau von Wegen und Eisenbahnen, die Gewinnung von Wasser durch Brunnen
und Staudämme. Wasser ist im Innern genug vorhanden, es muß nur er-
bohrt werden. Die Küstengürtel sind allerdings sandig und unfruchtbar. Wer
nicht ins Innere vordringt, sondern nach der Küste das ganze Hinterland
beurteilt, wird ein falsches Urteil über unsre Kolonien gewinnen. Im Innern
ist manche anscheinend hoffnungslose Wüste, die der Europäer mit seiner Technik
in Acker oder Weide verwandeln kann. Wege und Eisenbahnen bringen den
Europäer in Verbindung mit den Binnenstämmen, sie erleichtern die Fracht und
bewahren vor Aufständen der Eingeborenen; denn die Aufständischen suchen aus
unwegsamen Gegenden die Kolonisten zu überfallen. Ein weiteres Mittel
der Kolonisation ist die Erziehung der Farbigen zur Arbeit. Es ist erwiesen,