15. Die mittelalterliche Frau im Hauswesen.
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gewerblicher Tätigkeit. Eben hierin liegt ein Hauptmoment der Stärke des mittel¬
alterlichen Städtewesens. Anderseits erhoben sich jedoch manche Gegenden in ihrer
Produktion auch über das durchschnittliche Maß und versahen mit den Gegenständen
des Gewerbzweiges, den sie besonders ausbildeten, entfernte Landstriche Deutschlands
und das Ausland. Berühmt war vor allem die Wollweberei Cölns und Flanderns,
der Niederlande überhaupt. An sich zeigt gerade die Tuchfabrikation den Unterschied
des Mittelalters und der Neuzeit: an unendlich viel mehr Plätzen als heute war sie
heimisch. Während es in unsern Tagen einige große Zentren der Textilindustrie
.gibt, die nicht nur den ganzen einheimischen Bedarf decken, sondern noch reichlich nach
dem Auslande exportieren und den meisten Städten eine eigne Tuchproduktion
vollkommen fehlt, hatte im Mittelalter jeder Ort seine Weber, wohl gar seine Weber»
zunst; die Hauptmenge des Bedarfs wurde hier hergestellt. Im wesentlichen bloß
für die Erzeugung der bessern Tuchsorten existierten Zentren der Produktion: ins¬
besondere die Niederlande (Flandern) und der Mederrhein (Cöln). Diese Orte frei¬
lich erhoben sich bedeutend über die gewöhnliche Produktion. In Süddeutschland
zeichneten sich Regensburg und noch mehr Augsburg durch ihre Weberei aus, wenn¬
gleich sie den Stand der niederrheinischen nicht erreichten. Ein andres Gebiet, auf
dem eine starke Produktion über den lokalen Bedarf hinaus stattfand, war die Be¬
arbeitung der unedlen Metalle; ihren hauptsächlichsten Standort hatte sie im heutigen
Belgien und in der heutigen Rheinprovinz. Oberdeutsche Städte ernteten Ruhm
durch ihre Gold- und Silberarbeiten. Berühmt waren auch die Bildhauer und Bild¬
gießer, Kupferschmiede, Schreiner, Holzdrechsler von Augsburg und namentlich
Nürnberg.
15. Die mittelalterliche Frau im Hauswesen.
Von Karl Weinhold („Die deutschen Frauen in dem Mittelalter",
II. Band, 2. Aufl., Wien 1882, Karl Gerolds Sohn).
Solange die Germanen auf keinen festen Sitzen waren, konnte sich auch keine
Hauswirtschaft bilden, als deren Grund festes Wohnen und der Ackerbau zu bezeichnen
ist. Hirtenvölker sind freilich auch nicht ohne häusliche Einrichtungen und ohne Küche
und Herd, allein es ist alles nur für das augenblickliche Bedürfnis bestimmt und be¬
weglich und wandelbar wie der Wagen, das Zelt und die Viehhürde.
Die germanischen Völker sind schwerlich schon in ihren asiatischen Wohnplätzen
aus dem Stande der Hirten in den der Ackerbauern übergetreten. Denn die Worte
für den Feldbau und dessen Früchte sind nicht allen Jndogermanen gemeinsam. Sie
sind bei den europäischen und den asiatischen Ariern verschieden. Der Ackerbau hat
also erst nach derTrennung dieser beiden großen Gruppen begonnen, für die europäi¬
schen jedoch zu einer Zeit, als die spätern griechischen, italienischen, slawischen, deutschen
Völker noch eine große Gemeinschaft bildeten. Durch die stete Veränderung der Wohn¬
sitze aber konnte sich der Feldbau nur dürftig entwickeln, und die Ackerwirtschaft mußte
eigentümlich bewegliche Formen annehmen.
Aus den Nachrichten von Cäsar, Plinins und Tacitus erhellt nun, so unsicher sie
in einigen Punkten bleiben, das zur Genüge, daß die Deutschen zur Zeit, als ihre
Kriege mit den Römern begannen, feste Wohnsitze in Nord- und Mitteldeutschland
hatten und daß der Ackerbau für sie eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit war,
weshalb sie ihn auch weiter auszudehnen strebten.