Full text: Lehrbuch der Deutschen Geschichte für die oberen Klassen höherer Mädchenschulen

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Fußboden des Chores, die Altarnische nimmt vieleckige Gestalt 
ein; im Innern, erst später auch an der Außenseite, findet der 
Spitzbogen Verwendung, der, weil er geringeren Druck ausübt, 
nur schwächerer Stützen bedarf; die Bogen werden reicher ver¬ 
ziert, die Ornamente des jetzt häufig kelchsörmigen Kapitells ent¬ 
salten sich loser und freier, an die Pfeiler schließen sich zierliche 
Halbsäulen an, und das große runde Fenster, das oft über dem 
Westportale der Kirche steht, füllt sich mit reicher Steinzierart. In 
solchen Formen sind die Bauten der Hohenstausenzeit entstanden. 
Während bisher die kirchlichen Baumeister den Kirchenbau 
geleitet hatten, traten seit dem 13. Jahrhundert die weltlichen 
Bauhandwerker, Maurer und Steinmetzen, zu Zünften zusammen, 
die sich dann als Bauhütten bezeichneten. Diese Bauhütten 
haben die schwierigste und kühnste aller Stilarten, die Gotik, zu 
wunderbarer Vollendung ausgebildet. Bei größeren Kirchen bildet 
das Kreuz den Grundplan, doch der Chor erhebt sich nur um 
wenige Stufen und wird zu einer Fortsetzung des Hauptschiffes, 
während die Seitenschiffe oft bis zur Höhe desselben aufsteigen 
und sich um den Chor als Rundgang fortsetzen; zuweilen um¬ 
gibt den Chor. der im Viereck schließt, noch ein Kranz von 
Kapellen. Im Westen erhebt sich der Turm oder ein Turmpaar, 
vom Viereck zum Achteck, von diesem zur schlanken Pyramide 
übergehend, die endlich der Turmhelm krönt. Für den Aufbau 
ist der Spitzbogen entscheidend. 
Da die ganze Schwere des Gewölbes und des Daches nicht 
mehr auf den Mauern, sondern lediglich aus den Säulen und 
Pfeilern lastete, so wurden diese durch Strebepfeiler und Strebe¬ 
bogen von außenher gestützt. 
Dem Grundgedanken des ganzen Systems entsprechend, streben 
alle einzelnen Teile des Baues, die Pfeiler und Säulen, die 
Fenster und Portale, die Türme und Dächer, die Fialen (oder 
Türmchen) auf den Strebepfeilern und die spitzzulausenden Fenster¬ 
giebel oder Wimperge zu luftiger Höhe empor und sind an den 
Kanten mit Blumenzierwerken (oder Krabben) und oben aus 
der Spitze mit der mehrzackigen Kreuzblume geschmückt. Den 
weihevollen Eindruck erhöhen die buntfarbig bemalten, mit schlanken 
Pfosten und zierlichem Maßwerk ausgestatteten Fenster; unter 
denselben bildet das riesige Radsenster über dem Hauptportale 
die vornehmste Zierde der Stirnseite oder Fassade. 
So gestaltete sich der gewaltige Bau zu einem lebendigen 
Ausdrucke nicht nur des freien und hofsnungssreudig ausblicken¬ 
den Gottesgedankens, sondern auch des selbstbewußten und stolz 
gewordenen Bürgertums. Der hochragende Dom verkündete nicht 
bloß die Ehre Gottes, sondern gleichsam auch den Reichtum und 
das Machtgefühl des Bürgerstandes.
	        
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