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XVI. Die Tätigkeit der Frauen im Dienste
der Nächstenliebe.
§ 326. Amalie Sieveking.
Im Jahre 1831 wurde Europa von einer furchtbaren Cholera¬
epidemie heimgesucht, die sich auch in Deutschland verbreitete.
Furcht und Schrecken ergriff die Bevölkerung. Besonders war
die Stadt Hamburg bedroht. Bei dieser furchtbaren Krankheit
bedurfte es heldenmütiger Seelen, um die Unglücklichen zu pflegen.
Eine dieser großen Seelen war Amalie Sieveking in Ham¬
burg. Sie erließ einen Aufruf in einem öffentlichen Blatte, sich
mit ihr zur Krankenpflege im christlichen Geist zu vereinigen. Es
fand sich niemand zur Mithülse bereit. Da meldete sich Amalie
bei der Krankenhausverwaltung, und ihr wurde die Leitung der
Pflege für weibliche Kranke übertragen. Nachdem sie ihre Aus¬
gabe im Krankenhause gelöst hatte, dachte sie an die Gründung
eines weiblichen Vereins für Armen- und Krankenpflege. Im
Mai 1832 gründete sie diesen Verein mit dreizehn Mitgliedern,
nebenbei unterhielt sie die Leitung einer Schule. Die von Amalie
herausgegebenen Berichte regten zur Gründung ähnlicher Vereine
in mehreren Städten Norddeutschlands an.
Pfarrer Fliedner in Kaiserswerth bat sie später um Über¬
nahme einer Vorsteherinstelle für den von ihm gegründeten
Verein für christliche Krankenpflege in Rheinland und Westfalen.
Sie lehnte aber ab, weil sie in Hamburg neben ihrer Schule
noch ein Seminar für Erzieherinnen errichtet hatte (1839), das
sie, wie ihre Schule, unentgeltlich leitete. Bei einem Aufenthalt
in London lernte sie dort viele Wohltätigkeitsanstalten kennen.
1839 betrieb sie den Bau des „Amalienstiftes" (Kinderkranken¬
haus und Armenwohnungen) auf Kosten des Frauenvereins. Eine
Berufung nach Berlin als Vorsteherin des dortigen Vereins für
Krankenpflege lehnte sie ebenfalls ab, um ihrem Vereine nicht
untreu zu werden, nach dessen Muster inzwischen viele andere
in Deutschland und der Schweiz gegründet worden waren. Auf
Wunsch der Königin von Dänemark rief Amalie auch einen Verein
in Kopenhagen ins Leben, ja selbst in Rußland ahmte man ihr
Beispiel nach.
Von allen Seiten brachte man ihren Bestrebungen und Ein¬
richtungen die größte Teilnahme entgegen. Fürstliche Personen
und Ausländer besuchten ihre Wohltätigkeitsanstalten in Ham-