Contents: Deutsches Lesebuch für die Oberstufe mehrklassiger Schulen

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Aber ihr großes Glück erregte bald den Neid von Kriemhildens Brüdern. 
Sic stifteten den grimmigen und düsteren Hagen an, Siegfried zu ermorden. 
Nach betn Volksbuchs. 
7. Wie Siegfried erschlagen ward. 
Sechzehntes Abenteuer aus dem Nibelungenliede. 
1. Günther und Hagen, die Recken wohlgethan, 
Beriethen mit Untreuen ein Birschen in den Tann. 
Mit ihren scharfen Spießen wollten sie jagen gehst: 
Bären, Schwein und Büffel; was konnte Kühnstes gescheh'n? 
2. Da ritt auch mit ihnen Siegfried mit stolzem Sinn. 
Man bracht' ihnen Speise mancherlei dahin. 
An einem kalten Brunnen verlor er bald den Leib; 
Brunhild hat es gerathen, Günther des Königes Weib. 
3. Da gieng der kühne Degen, wo er Kriemhilden fand. 
Schon war aufgesäumet das edle Birschgewand 
Für ihn und die Gesellen: sic wollten über Rhein. 
Da konnte Kriemhilden nicht übler zu Muthe sein. 
4. Seine liebe Traute küßt er an den Mund: 
„Gott lasse mich dich, Franc, noch wiedcrseh'n gesund, 
Und mich auch deine Augen; mit holden Freunden dein 
Verkürze dir die Stunden; ich kann nun nicht bei dir sein." 
_ 5. Da gedachte sie der Märe, sic durft' es ihm nicht sagen, 
Die sie Hagen sagte; da begann zu klagen 
Die edle Königstochter, daß sie das Leben gewann: 
Wie da manche Thräne dem wunderschönen Weib entrann! 
6. Sie sprach zu dem Recken: „Laßt euer Jagen sein! 
Mir träumte heut' von Leide, wie euch zwei wilde Schwein' 
Auf der Heide jagten; da wurden Blumen roth. 
Daß ich so bitter weine, das thut mir sicherlich noth. 
7. „Ich fürchte sehr und bange vor Etlicher Verrath. 
Hier sind gewißlich welche, die man erzürnet hat; 
Die könnten uns verfolgen mit feindlichem Haß. 
Bleibt hier, mein lieber Herrc, mit Treue rath' ich euch das." 
8. „Meine liebe Traute, ich kehr' in kurzer Zeit; 
Ich weiß nicht, daß hier jemand mir Haß trüg' oder Neid. 
Alle deine Freunde sind insgemein mir hold; 
Auch verdient' ich von den Degen wohl nimmer anderlei Sold." 
9. „Nicht doch, lieber Siegfried, wohl fürcht' ich deinen Fall. 
Mir träumte heut' von Leide, wie über dir zu Thal 
Fielen zwei Berge, daß ich dich nie mehr sah; 
Und willst du von mir scheiden, das geht mir inniglich nah." 
10. Er nmfieng mit Armen das tngcndreichc Weib, 
Mit holdem Kusse herzt' er ihren schönen Leib. 
Dann nahm er Urlaub und schied in kurzer Stund'; 
Sie ersah ihn leider darnach nicht wieder gesund.
	        
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