Full text: Lehrbuch der Deutschen Geschichte für die oberen Klassen höherer Mädchenschulen

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roten Beinbinden. Unter diesen sind leinene Beinkleider sichtbar, dann 
ein Rock aus Leinwand und darüber das Schwertgehänge. Das letzte 
Stück seines Gewandes ist ein grauer Mantel. Der Sendgraf sitzt auf 
einem Stuhl mit Wolfssüßen, belegt mit einem Wolfsfelle; denn der 
Wolf war in alter Zeit dem Wotan, dem „Walter des Rechtes", heilig. 
Hinter ihm steht der Gaugras; er ist bewaffnet, denn er befehligt die 
Krieger, die die Ordnung aufrecht erhalten und unter Umständen dem 
Wahrspruch des Gerichts Achtung verschaffen. Die Schwurszene im 
Vordergrund ist ein Beweis für den Einfluß der Religion; denn gar 
mancher, der weiß, daß man ihm die Unwahrheit nicht nachweisen kann, 
rückte vielleicht mit der Wahrheit nicht heraus, wenn er sich nicht vor 
der Strafe Gottes fürchten würde. Deshalb nimmt der Bifchof dem 
Sachsen den Eid ab, daß er die reine Wahrheit sagen wolle. Als Zeichen 
seiner Würde trägt der Bischof das Pallium, ein schmales Band, aus 
Lammwolle gewoben und mit mehreren Kreuzen versehen. Auf der Brust 
glänzt ein goldenes Kreuz, das am Hals- oder Schultertuch befestigt ist. 
Bekleidet ist der Kirchenfürst mit zwei hemdförmigen, geschlossenen Über¬ 
kleidern von verschiedener Länge und Farbe und mit der die Strümpfe 
und Schuhe verdeckenden Alba von weißem Linnen ohne Schmuck. Auf 
diesem Untergewande wird der mit Troddelwerk versehene Gürtel, aus 
dem längeren Obergewande das Ende der Stola sichtbar. Das Haupt 
bedeckt die Mitra. In der Linken hält der Bischof den Hirtenstab, das 
Abzeichen kirchlicher Macht, und das Evangelienbuch. 
Der Mönch hinter dem Send grasen ist Verhandlungsführer, weil 
er wahrscheinlich außer dem Priester der einzige ist, der unter den An¬ 
wesenden gewandt lesen und schreiben kann. Im Grase liegen die 
Waffen der sechs auf der Schöffenbank sitzenden Schöffen; denn der 
freie Germane, der zum „Rechtfinden" oder „Rechtweisen" berufen wird, 
erscheint in Waffen. Die Entscheidung wird nicht vom Sendgrafen, dem 
Vorsitzenden dieses Gerichts, sondern von den Schöffen oder Beisitzern 
gefällt. Dieser müssen immer mehrere sein und Leute aus dem Volke, 
keine Berufsrichter; und schließlich müssen sie so ziemlich aus dem 
gleichen Stande sein, dem die Kläger und Beklagten angehören. 
Die Männer rechts von dem Schwörenden sind seine Eideshelfer, 
welche zu bestätigen haben, daß sie den Eid desselben für „rein" und 
nicht für „mein" halten. 
4. Ritterburg. 
(13. Jahrhundert.) 
Die Lage unserer Burg ist eine solche, daß es den Feinden schwer 
wird, derselben nahe zu kommen. Sie krönt den Gipfel eines weit ins 
Tal vorspringenden Felsens, der, nach allen Seiten steil abfallend, nur
	        
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