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Mittlere Geschichte.
noch schwerer über dem Abendland lagern und erst im Zeitalter der Kreuz¬
züge schwinden, als die Abendländer in Berührung mit den gebildeten
Arabern kamen. Doch macht hier eine rühmliche Ausnahme der Erzbi¬
schof von Mainz, Begründer der Klosterbibliothek in Fulda und Rhaba¬
nus Maurus, f 855, Zeitgenosse des später unter den Scholastikern
zu erwähnenden Johannes Scotus Erigeua in Euglaud, geachtet
als Theologe, Philologe und Naturforscher. Auch Otsried, Benedic-
tmermöuch im Kloster Weißenburg am Mittelrheiu, verfaßte von 865
bis 868 seine berühmte poetische Evangelienharmonie in deutscher
Sprache, wodurch er ein Volksepos christlich erbaulichen Inhalts dem
Volksgesang entgegen setzen wollte. Die Araber wurden, seit der Re¬
gierung der Abbassiden 750, die Träger der Wissenschaft in dieser dun-
keln Zeit; besonders Mathematik, Astronomie und Medicin (obgleich
sie die Anatomie nicht kannten, weil sie das Seciren des menschlichen
Körpers für schändlich hielten) wurden von ihnen angebaut und die
Werke der griechischen Philosophen, besonders des Aristoteles, von ihnen
inö Arabische übersetzt. Aus diesen Übersetzungen lernten erst die
Abendländer letztere kennen, denn die Kenntniß des Griechischen war
bei ihnen so unbekannt, daß Papst Sylvester II., kurz vor 1000 (vor¬
her bekannt unter dem Namen Gerbert) wegen der Kenntniß dieser
Sprache für einen Zauberer galt. Das über das Abendland verbrei¬
tete Dunkel sollte erst dann'aufhören, als durch Griechen, die seit 1300
und besonders seit 1400 vor den osmaunischen Türken nach Italien
flüchteten, dahin die Kenntniß der altgriechischen Literatur gebracht wurde
und nun die Humanisten, von der Kenntniß der altclassischen Spra¬
chen ausgehend, die classische Bildung der Grieche» und Römer im
Abendlande zur Geltung brachten.
Aber auch in dem äußern staatlichen Leben trat nun eine Zeit ro¬
her Gewaltthaten ein, ohne daß ein kräftig schirmender Held den bedräng¬
ten Völkern als Retter erschien. Den Deutschen erschienen die Nach¬
baren im Osten, die Slaven, die von der Mündung der Elbe, östlich
dieses Flusses und der Gränze von Böhmen bis zum adriatischen Meer
sich gelagert hatten, als gefährliche Feinde; ein nicht mindergefährlicher
Feind waren die Normannen (Bewohner von Norwegen, Schweden
und Dänemark), die die Seeküsten von Frankreich und Deutschland
plünderten, gefährliche Seeräuber, die unter kühnen Anführern (See¬
königen) Schrecken dem Abendlande bereiteten. Lothar, von Gewis¬
sensqualen gepeinigt, legte 852 die Regierung nieder uud starb als
Mönch im Kloster Prüm 855. Seine Söhne erhielten: Ludwig 11.
Italien und die Kaiserwürde, Lothar Lothringen und Karl Burgund