Full text: [Teil 2 = 3. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 2 = 3. Schuljahr, [Schülerband])

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deckt. Unter den Pferden waren auch solche, die so schwere Wunden 
empfangen hatten, daß sie nicht gehen und stehen konnten. Als die 
Soldaten, Freunde wie Feinde, alle fort und die Toten begraben 
waren, da blieben noch viele solche verwundete Pferde zwischen den 
Gebüschen und in den Bergschluchten versteckt. Die Leute aus der 
Nachbarschaft zogen wieder ein in ihre Häuser, wenn diese nicht nieder— 
gebrannt oder zerstört waren. Da kam nun auch mancher böse Bube 
mit; denn im Kriege werden die Menschen, alte wie junge, gar leicht 
wild und böse. Diese Buben warfen die armen verwundeten Pferde 
mit Steinen, jagten die lahmen, die nur noch auf drei Beinen gingen, 
weil ihnen das vierte abgeschossen oder hart verwundet war, mit 
Stockschlägen oder mit Peitschenhieben umher und quälten die armen 
Tiere auf recht barbarische Weise. 
Es gab aber dort auch ein anderes Büblein, das hieß Heinrich. 
Sein Vater bewohnte in der Nähe des Schlachtfeldes ein Haus, das 
von einem Garten umgeben war. Die Soldaten hatten zwar auch 
in diesem Hause manches beschädigt; weil aber ein großer Feldherr 
darin gewesen war, hatte man es dennoch so ziemlich verschont; darum 
konnten Heinrichs Eltern gar bald wieder in ihr Haus einziehen. 
Wenn nun die bösen Buben so manches Pferd, vor allem wenn es 
den Feinden gehört hatte, quälten, da gingen dem kleinen Heinrich 
öfters die Augen über, denn er war ein gutes, mitleidiges Kind, 
getraute sich aber doch nicht, viel zu sagen, weil er noch so klein, 
die bösen Buben aber schon so groß waren. Was er aber nicht sagte, 
sondern nur dachte, das übte er mit der That, denn er hat damals 
etwas gemacht, wodurch sein gutes Herz die bösen Herzen der andern 
Buben sehr beschämte. 
In seines Vaters Garten, hinter einem Gebüsch von Rosen, fand 
er gleich am zweiten oder dritten Tage nach der Schlacht ein schönes, 
kleines Pferd von sogenannt polnischer Abkunft liegen. Es lag, so 
kann man sagen, in seinem Blute, denn es hatte am Hals und an 
der Brust so tiefe Wunden von Bajonettstichen erhalten, daß sein 
Blut stromweis herausgeflossen war. Als der kleine Heinrich zum 
erslenmal zu dem armen Tiere kam, da war es so matt, daß es kaum 
den Kopf ein wenig erheben konnte. Es sah ihn aber mit seinen 
großen, schönen Augen so an, als wollte es ihn um Mitleid bitten. 
Er verstand dieses; er brachte dem ohnmächtigen Tiere eine Schüssel 
voll frischen Wassers vom Brunnen, und als es dieses ausgetrunken hatte,
	        
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