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Karls V. Eltern waren Philipp der Schöne von Österreich, ber
Sohn bes Kaisers Max, unb Johanna (die Wahnsinnige) von Casti-
lien. Er war mittelgroß und zart gebaut, blonb unb von blasser Gesichts¬
farbe. Seine Stirn war frei, unb das große Auge hatte einen seelenvollen,
ernsten, fast schwermütigen Ausbruck. Meister in Jagd unb Turnier, sühn
unb voll Todesverachtung im Kampfe, besaß er zugleich eine umfassende
geistige Bildung. Er beherrschte sechs Sprachen unb liebte Kunst unb Wissen¬
schaft. Niemals verließ ihn die hoheitsvolle Würbe unb Größe bes Gemütes,
selbst in ber höchsten Fülle bes Glückes und der Macht bewahrte er edle
Mäßigung. Gegen die beutschen Protestanten übte er trotz feiner entfchieben
f^Thottfchnr^eßnnung Duldsamkeit, bie er auch bei einem Besuche ber Grab¬
stätte Luthers bewährte. Daß er bei aller Leutseligkeit unb Herablassung feine
Volkstümlichkeit in Deutfchlanb zu erlangen vermochte, lag an feiner häufigen
Abwesenheit unb ber gehässigen Anfeindung seitens seiner Gegner.
Von den besten Absichten beseelt trat der junge Kaiser die Regierung
an. Vor allem wollte er den kirchlichen Frieden in Deutschland wieder
herstellen.
2. Ter Reichstag zu Worms, 1521. Luther, welcher unter Zusage
sicheren Geleites vorgeladen war. erschien, weigerte aber den Widerruf. (Das
oft angeführte Wort: „Hier stehe ich; ich kann nicht anders. Gott helfe
mir! Amen," hat Luther in dieser Form nicht gesprochen.) Da zu Worms
die Reichsacht über Luther verhängt wurde, ließ ihn fein Gönner Kurfürst
Friedrich der Weife von Sachsen durch verkappte Ritter nach der Watt-
buta/in Sicherheit bringen. Hier begann er die Übersetzung des
Netten Testamentes, welche er mit Hilfe Melanchthons 1522 herausgab.
Als in Wittenberg durch Wiedertäufer und Bilderstürmer Unruhen entstanden,
kehrte Luther dorthin zurück und stellte die Ruhe wieder her. 1525 heiratete
er die ehemalige Nonne Katharina von J&xrfa. Viele Geistliche und
Ordensleute folgten diesem Beispiele.
Vor 1522 gab es bereits 22 deutsche Bibelübersetzungen: Luther hat
also die Bibel nicht erst „unter der Bank hervorgezogen". Auch ist Luther
in manchen Punkten sehr willkürlich verfahren: so schaltete er bei den Worten:
„Der Glaube macht selig" das Wörtchen „allein" ein, weil das seiner Lehre
von der Rechtfertigung entsprach; den Brief des Hl. Jakobus verwarf er ganz
als „stroherne Epistel", weil er zu seiner Lehre von der Nutzlosigkeit der
guten Werfe nicht paßte. Dagegen hat er durch seine Übersetzung und seine
sonstigen deutschen Schriften einen hervorragenden Einfluß auf die Gestaltung
der deutschen Schriftsprache ausgeübt-'t/f
3. Die Empörung der Ritter und ^er Bauern. Von Anfang an
ging mit der religiösen Umwälzung die Revolution auf staatlichem
Gebiete Hand in Hand. Dies zeigte sich in erschreckender Weise in den
Aufständen der Ritterschaft und der Bauern.