Full text: Quellenlesebuch (Heft 5. Erg.-H)

7. Römer und Germanen vom Tode des Kaisers Augnstus bis zum Tode Armins. 41 
19. Keine Wunden, nicht der Gram um die Gefallenen, nicht das Gefühl ihrer 
Vernichwng erfüllte die Germanen so mit Schmerz und Zorn wie dieser Anblick. 
Sie, die eben darauf sannen, aus ihren Wohnsitzen aufzubrechen und über die Elbe 
zurückzuweichen, verlangen nun nichts mehr als eine Schlacht und greifen eilends 
zu den Waffen. Das Volk, die Vornehmen, die Jungen, die Alten, alle [türmen 
plötzlich auf den Zug der Römer los und bringen ihn in Unordnung. Zuletzt ersehen 
sie einen Platz zum Kampfe, von Fluß und Wäldern umschlossen, dazwischen eine enge, 
feuchte Ebene, auch um die Wälder zog sich ein tiefer Sumpf herum; nur hatten die 
Angrivarier die eine Seite vermittelst eines breiten Dammes aufgehöht, als Grenz- 
wehr gegen die Cherusker. Dort stellte das Fußvolk sich aus; die Reiterei verbarg 
sich in den nahen Hainen, damit sie den Legionen, wenn sie in den Wald eingerückt 
wären, im Rücken stände.^ - 
21. Die ungeheure Menschenmasse konnte in dem engen Räume ihre außer- 
ordentlich langen Speere nicht vorstrecken, nicht zurückziehen, und gezwungen, in 
fester Stellung zu kämpfen, auch ihre Kunst, schnell und unerwartet anzugreifen, 
und ihre körperliche Gewandtheit nicht geltend machen; der Soldat hingegen, 
den Schild an die Brust gedrückt, die Hand fest im Griff, hieb auf der Barbaren 
breite Glieder, auf ihre durch nichts gedeckten Gesichter ein und bahnte sich über 
gefallene Feinde eine Gasse. Arminius' Tatkraft war schon erschlafft, sei es in- 
folge der steten Gefahren, fei es, daß ihn die eben empfangene Wunde gelähmt 
hatte. Germanikus hatte, um besser erkannt zu werden, den Helm abgenommen 
und bat, sie möchten nur immerfort und fort morden, zu nichts seien Gefangene 
nütze; nur die völlige Vernichtung des Stammes werde dem Kriege ein Ende 
machen. — Schon war es spät am Tage geworden, als er eine Legion aus der 
Schlacht zieht, um das Lager aufzuschlagen; die andern tranken bis in die 
Nacht hinein sich satt in Feindesblut. — Die Reiterei kämpfte mit zweifelhaftem 
Erfolge. 
22. Nachdem die Sieger vor versammeltem Heere belobt waren, errichtete 
der Cäsar einen Berg von Waffen mit der stolzen Aufschrift: Nach Besiegung der 
Völker zwischen Rhein und Elbe habe das Heer des Tiberius Cäsar dieses Denkmal 
dem Mars und Jupiter und Augustus geweiht. Seiner selbst tat er dabei keine Er- 
wähnung, war es Furcht vor Mißgunst, oder meinte er, das Bewußtsein der Tat 
sei genug? — 
23. Da der Sommer bereits vorgerückt war, wurden einige von den Legionen 
auf dem Landwege in das Winterquartier zurückgeschickt; die größere Zahl führte 
der Cäsar auf Schiffen den Fluß Ems entlang in den Ozean. 
24. Um wieviel der Ozean gewaltiger ist als andre Meere, um wieviel Germanien 
an Rauheit des Klimas andre Länder überbietet, um so viel überstieg jenes Unglück 
alles durch Neuheit und Größe, feindliche Gestade ringsum, und ein Meer, so weit 
und tief, daß man glaubt, es sei der Welt Ende und von keinem Lande begrenzt. Ein 
Teil der Schiffe ging unter; die Mehrzahl ward an ziemlich entlegene Inseln ver¬ 
schlagen und der Soldat, da keine Menschen dort wohnen, von Hunger hingerafft, 
die ausgenommen, deren Leben tote Pferde, die das Meer gerade dort auswarf, 
fristeten. Nur des Germanikus Trireme lief an das Land der Katten an. Jene 
ganze Zeit hindurch durchirrte er Tag und Nacht die Felfen und Vorsprünge der 
Küste und rief, er sei schuld an solchem Verderben; kaum hielten ihn seine Freunde 
zurück, in demselben Meere den Tod zu suchen. [Der: größte Teil der Flotte aber geht 
durch Sturm zugrunde.]
	        
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