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Die deutsche Kaiserzeit 919 — 1250.
Papsttum zu einer alles überragenden Macht. Er hat mehrere Staaten
Europas genötigt, seine Lehnshoheit anzuerkennen, insbesondere Eng¬
land, dessen König Johann ohne Land, der treulose Bruder und Nach¬
folger des tapferen Richard Löwenherz, sich vor ihm demütigen mußte.
Vierter Er gab die Anregung zu einer neuen Kreuzfahrt, dem vierten Kreuz-
*1204?’ zug; dieser führte allerdings nicht zur Wiedereroberung von Jerusalem,
sondern zur Einnahme von Konstantinopel und zur Gründung des
„lateinischen" Kaisertums, das sein Dasein nicht lange gefristet hat.
Jnnocenz hat auch die Inquisition, d. H. die gerichtliche Aufsuchung
und Verfolgung der Ketzer, ins Leben gerufen.
In dem deutschen Thronstreit gelang es Philipp allmählich, Boden
Philipps zu gewinnen. Da wurde er von dem Pfalzgrafen Otto von Wittels-
€ri208.n9' f> ci ch, der sich von ihm beleidigt glaubte, zu Bamberg ermordet. Jetzt
Otto iv. fand Otto IT., der Welfe, auch bei den Staufen Anerkennung; er konnte
bald nach Italien ziehen und sich dort von Jnnocenz III. die Kaiserkrone
auf das Haupt setzen lassen. Als er aber einen Angriff auf das unter¬
italische Reich Friedrichs, des Sohnes Heinrichs VI., unternahm, trat ihm
Jnnocenz entgegen, sprach den Bann über ihn ans und gestattete Friedrich,
dem Ruf der staufischen Partei zu folgen und sich in Deutschland als
Gegenkönig ausstellen zu lassen. Anfangs war dessen Anhang nur gering;
aber 1215 konnte sich Friedrich II. im Dome zu Aachen frönen lassen.
Otto IV. starb 1218 machtlos und verlassen auf der Harzburg.
Friedrich II. 1315 —1250.
Zriedrichs ii. § 62. Friedrichs II. Persönlichkeit, Kreuzzug und Landesverwaltung.
Persönlich- Friedrich, der jetzt allgemein in Deutschland anerkannt wurde, war ein
frühreifer, hochbegabter Fürst, einer der geistvollsten unter den deutschen
Königen, dazu hochgebildet, da er am Hofe zu Palermo einen vorzüg¬
lichen Unterricht genossen und mit christlichen und arabischen Gelehrten
in Verkehr gestanden hatte. Er war ein Staatsmann von feinster Be¬
rechnung und klarstem Urteil; dazu ein hochstrebender Manp von großen
Gedanken und mächtiger Willenskraft. Von Wärme des Gemüts aber
war bei diesem Fürstensohne, der in frühester Kindheit Vater und Mutter-
verloren und sich an kalte Verstellung hatte gewöhnen müssen, wenig zu
spüren. Er konnte, wie sein Vater, von unerbittlicher Härte sein. Dazu
war seine Bildung mehr italienisch als deutsch, seine Neigungen zogen
ihn mehr nach Italien als nach Deutschland, sein italienischer Besitz
erschien ihm als der Mittelpunkt feiner Politik; dieser gewaltige Hohen-
staufe war dem deutschen Vaterlande entfremdet.