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er den Oberbefehl an der Rhone übernahm, fand er keinen Gegner,
denn die Kimbern waren, anstatt ihre Siege zu benutzen, über
die Pyrenäen nach Spanien gezogen. Die ihm hierdurch gewährte
Muße benutzte Marius, um sein Heer neu zu gestalten und an strenge
Krregszucht zu gewöhnen; auch wurden die wichtigsten Punkte
befestigt. Nachdem er so zwei Jahre lang Vorbereitungen getroffen
hatte, kamen die Kimbern zurück und vereinigten sich mit den ihnen
nachgezogenen Teutonen. Diesmal sollte der Einbruch in
Italien erzwungen werden. Als sich aber Marius nicht aus seiner
festen Stellung locken ließ, teilten sich die Verbündeten; die Teu¬
tonen rückten auf dem geraden Wege gegen Italien vor und zogen
mrt höhnenden Zurufen am römischen Lager vorüber, aus dem
sich Marius nicht locken ließ; die Kimbern aber wählten einen weiten
Umweg. Nun eilte Marius hinter den Teutonen her und vernichtete
102 sie in der Schlacht bei A q u ä Sextiä (102). Im Jahre darauf
101 trug er nördlich vom Po bei V e r c e l l ä (101) auch über die Kim¬
bern, die bereits in Italien eingebrochen waren, den Sieg davon;
trotz ihrer ungestümen Tapferkeit unterlagen sie der Feldherrn¬
kunst des Marius, der schließlich auch die von den Frauen vertei¬
digte Wagenburg einnahm. Beide jugendkräftigen Germanen¬
völker gingen so in trauriger Weise zugrunde (vgl. Leitfaden f.
Untertertia A, V).
Aus Dankbarkeit für die Befreiung von dem „kimbrischen
Schrecken" wählte das römische Volk den Marius das sechste Mal
zum Konsul. Als er nun in diesem Konsulate die Reform des Staates,
welche die Volkspartei verlangte, durchführen sollte, erwies er sich
dazu vollständig unfähig. Bald betrachtete ihn die Volkspartei
als Verräter, die Adeligen aber behandelten ihn mit Geringschätzung.
Tief ergrimmt zog er sich in das Privatleben zurück, und es schien,
als habe er seine Rolle ausgespielt.
r. Der erste Bürgerkrieg (8$—$2).
Zehn Jahre später gab dem Marius der Bundesgenossen¬
krieg Gelegenheit, wieder hervorzutrelen. In diesem Kriege sahen
sich die Römer gezwungen, den italischen Bundesgenossen das
Bürgerrecht einzuräumen, das sie ihnen so lange mit Unrecht vor¬
enthalten hatten. Unter den Feldherren, welche in diesem Kriege
dem Staate Dienste leisteten, war auch Marius, doch mehr als er
tat sich sein alter Gegner Sulla hervor, der am Ende des Kriegs
zum Konsul gewählt wurde. Zugleich erhielt er die Aufgabe, den
m Asren entbrannten Krieg gegen den König Mithridätes
von P 0 n t u s zu Ende zu führen. Dieser hochbegabte, aber des¬
potische Fürst hatte sich der römischen Provinz Asia bemächtigt