2. Luthers erstes öffentliches Auftreten. 
Als Pabst Julius II. in Rom den Bau der Peterskirche begann, 
hatte er zum Besten seines heiligen Unternehmens der gesammten Christen¬ 
heit einen vollkommenen Ablaß für alle begangenen und zu begehenden 
Sünden um baares Geld angeboten. Sein Nachfolger L e o X. griff zu 
ähnlichen Maßregeln, um sich aus einer großen Finanznoth zu retten, 
in welche ihn große Kunstliebhaberei und seine und feiner Anverwandten 
Verschwendung gestürzt hatte. Er schrieb den Kirchenzehnten für einen 
angeblich beschlossenen Türkenkrieg aus; der Ausbau der Peterskirche 
aber mußte die Veranlassung zu einem allgemeinen Ablaß für alle Sün¬ 
den geben, und zwar sollte diese kirchliche Gnadengewähr ihre Kraft 
nicht nur auf die Lebenden, sondern auch auf die im Fegfeuer befind¬ 
lichen Seelen der Verstorbenen erstrecken. Es ward gelehrt und ge¬ 
glaubt, daß „wenn der Groschen im Kasten klingt, die Seele aus dem 
Fegfeuer springt." An diese sogenannte große Jndulgenz, zu welcher 
Reue und Beichte erforderlich war, schlossen sich andere Gnadengüter, 
wie: Antheil an Gebeten, Wallfahrten und sonstigen guten Werken, die 
innerhalb der streitenden Kirche geübt wurden; Austausch von Gelübden 
u. f. w., welche ohne jede Gemüthsbetheiligung zu kaufen waren. 
Für diesen geistlichen Handel hatte man das deutsche Land in drei 
Hauptgebiete getheilt und diese an drei Hauptcommifsionen zum Betrieb 
übergeben. Die Commission für Mitteldeutschland hatte Albrecht von 
Brandenburg, Kurfürst und Erzbischof von Mainz, nebst den Bi¬ 
schöfen von Magdeburg und Halber stadt in Pacht genommen, 
um eine bedeutende Summe (30,000 fl.) zurückzuerstatten, welche der 
Erstere von dem Banquierhaus Fugger in Augsburg zur Bezahlung 
des aus Rom erhaltenen erzbischöflichen Palliums geliehen hatte. Als 
Untereommissair und Verkäufer war ein durch anstößiges Leben berüch¬ 
tigter Dominikanermönch mit Namen Johannes Tetzel angestellt, 
welcher sich durch seine Frechheit als Ablaßverkäufer einen bedeutenden 
Namen gemacht hatte. 
Es war im Herbst des Jahres 1517, als Tetzel in Begleitung 
zweier Beamter des Fugger'fchen Hauses zu Jüterbock fein Wesen trieb 
und allgemach dem Herzen der sächsischen Länder sich näherte. 
„Auf der neuen Universität Wittenberg", so erzählt ein bekannter 
Historiker des vorigen Jahrhunderts, „war ein frommer Augustinermönch, 
Professor der Theologie, Dr. Martin Luther, welchen, gleich wie er hier 
auftrat, sein antiphilosophischer Eifer für Bibelerklärung und allgemei¬ 
neres Bibelstudium zum Schöpfer einer neuen Denkungsart seines Zeit¬ 
alters machte. Wenn der eifrig fromme Mann Beichte faß, so brachten 
ihm seine Beichtkinder oft Jndulgenzzettel von einem in der Nähe
	        
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