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scheu Staaten entfernten, wo über die pommer'sche Theilung endlose 
Streitigkeiten entstanden waren. 
Tie Frucht dieser langen und furchtbaren Kämpfe war das Gegen¬ 
theil dessen, was durch sie erstrebt werden sollte: sie war Freiheit des 
Glaubens, Denkens und des Gewissens; ein Fortschritt in der Geistes¬ 
geschichte, welcher wohl der größten Opfer würdig erscheint. Die An¬ 
erkennung und Gleichberechtigung des Protestantismus hat die Bande 
gelöst, in welche die Allmacht der Hierarchie die Bölker gelegt hatte, sie 
hat dadurch zugleich die Reinigung des Katholicismus vollzogen und 
der modernen Kultur die Bahn geöffnet. 
Wie die Versuche zur Unterdrückung der neuen Lehre zu ihrer Er¬ 
hebung und Feststellung geführt hatten, so war auf dem politischen Ge¬ 
biete die versuchte Unterwerfung der Reichsstände auch das Mittel zur 
vollständigen Unabhängigkeit derselben. Der kaiserlichen Würde war 
kaum ein Schatten von Macht geblieben und es begann in den kleineren 
Territorien die vielfältige Ausbildung des Staatenlebens, während die 
religiösen Interessen als ein fortan unbestrittenes Gut in den Kreis der 
individuellen gemüthlichen Entwickelung zurücktraten. 
Die Religionsfreiheit aber und die Unabhängigkeit der Reichsfürsten 
waren auf Kosten des deutschen Gebietes errungen worden. Fremde 
Mächte hatten sich den materiellen Vortheil zugeeignet. „Mit lauter 
Stimme," sagt ein gleichzeitiger Schriftsteller, „rühmen sich Franzosen 
und Schweden, Deutschland sei von ihnen bezwungen und die durch 
eigene Hände uns entrissenen Fahnen zeigen öffentlich Paris und Stock¬ 
holm. Könige, die sonst dem Ruf des Kaisers folgen und 1 ich zur 
Rechenschaft stellen mußten, entscheiden über Deutschland, berufen Reichs¬ 
tage, sitzen zu Recht und sind durch unsere Uneinigkeit unsre Herren ge¬ 
worden. Gerade in den Gegenden, wo unsre freien Väter den stolzen 
Varus besiegten, bieten jetzt, uns recht zum Hohne, waffenlose Ausländer, 
ohne Legionen, allen Deutschen Trotz und triumphiren über ganz^Ger- 
manien. Sie rufen, wir erscheinen; sie sprechen, wir hören's als Orakel 
an; sie verheißen, wir vertrauen ihnen gläubig wie Göttern; sie drohen, 
und wir zittern wie Sklaven. Bis auf den letzten Athemzug uneinig 
mit uns selbst, verlassen wir über den Götzen fremder Völker unsere 
eigene schützende Gottheit und opfern jenen Leben, Freiheit und Ehre aus." 
„Vom Rheine, der Ost- und Nordsee her erspähen sie von thren 
Warten jede Gelegenheit, jeden Streit, der entsteht oder den sie herber¬ 
führen, und sind, wie einst die Römer in Hellas, erst freundliche Zu- 
reder, dann Rathgeber, Schiedsrichter und endlich Herren. O Deutsch¬ 
land, erwache! Das Reich kann nur durch das Reich wiedergeboren 
werden."
	        
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