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Lescynska; der sechzigjährige König tröstete sich über ihren Verlust mit 
einer neuen Maitresse, der Gräfin Dubarry. Vergebens suchte Choiseul 
sie zu entfernen, er konnte nichts thun, als den nunmehrigen Dauphin, 
Ludwig XVI., Enkel des Königs, mit der Erzherzogin Marie An¬ 
toinette, Marie Theresens Tochter zu vermählen, in dem guten 
Glauben, durch eine kaiserliche Prinzessin einigen Anstand und bessere 
Würde an den Hos zurückzuführen. Choiseul täuschte sich, und als das 
Parlament kräftiger als je gegen eine Steuerausschreibung auftrat, 
wurde nicht nur das Parlament aufgehoben, sondern auch Choiseul 
seiner Würde entsetzt und vom Hofe verwiesen. 
Wir wollen die folgenden Jahre mit Stillschweigen zudecken, aus 
Achtung vor denen, welche diese Erzählung lesen mögen. Der König 
Ludwig XV., dem wir später in den deutschen Angelegenheiten noch öfters 
begegnen werden, starb an einer schrecklichen und ekelhaften Krankheit 
den 10. Mai 1774. Das Volk freute sich und ergötzte sich an Spott- 
und Schmähliedern, wohl mit ganz anderem Rechte noch als bei dem 
Begräbniß Ludwig's XIV. Es nannte Ludwig XVI. den „Ersehnten." 
Er aber sagte: „Mir ist zu Muthe, als wenn das Weltall auf mich fiele." 
10. Ungarn. Kaiser Leopold und seine Nachfolger. 
Wenden wir uns nach Deutschland zurück, so finden wir es nach den 
Drangsalen des dreißigjährigen Krieges gänzlich erschöpft und durch die 
Theilung in viele unabhängige Staaten so sehr geschwächt, daß es von 
nun an fast hundert Jahre lang nur immer mehr vertheidigend als an¬ 
greifend sich verhalten mußte. Der Bauernstand begann zwar zuerst 
wieder sich zu erholen, da es nach dem Aussterben vieler Familien an 
fruchtbarem Boden nicht fehlte, der, von fleißigen Händen bearbeitet, 
reichliche Nahrung gewährte; doch waren die Edelleute und Fürsten nur 
wenig geneigt, der neuen Kraft Raum zu geben, welche von unten auf die 
Nation zu durchdringen begann. Sie wollten nicht aufhören, die Unter¬ 
thanen als Leibeigne zu behandeln, und deren Erwerb zu erpressen, um 
den Luxus bestreiten zu können, den sie von Ludwig's XIV. glänzendem 
Hofe lernten. 
Die Nachahmung des französischen Hoflebens war wie eine an¬ 
steckende Krankheit über die deutschen Fürsten gekommen. Sprache, 
Sitten, Gebräuche, Tracht und Moden, der unermeßliche Luxus und die 
unverkümmerte Selbstherrschaft des Mannes, welcher sagen durfte: „Der 
Staat bin ich/' war das höchste Ziel der Wünsche an den geistlichen und 
weltlichen Fürstenhöfen.
	        
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