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bie Flöte weglegte, traten die Kabinetsräthe mit den aus den Briefen
gemachten Auszügen ein, die sie ihm vorlegten oder vorlasen. Sodann
erhielten sie die Weisung, was auf jeden Brief zu erwidern sei; oft
schrieb er ein Paar lakonische Worte an den Rand mit eigener Hand.
So sehr er die französische Sprache liebte, blieb doch die deutsche
als Dienstsprache in ihrem Recht. Waren die Geschäfte abgemacht, dann
schrieb er Briefe oder las bis zur Tafel, die stets Schlag zwölf Uhr
bereitet wurde. Um ihn war stets eine gewählte Tischgesellschaft von
gebildeten Männern versammelt. Er hielt viel auf feine Gerichte, aber
noch mehr auf geistreiche Unterhaltung. Nach der Tafel spielte er abermals
eine halbe Stunde Flöte, dann unterzeichnete er die im Kabinet ab¬
gefaßten Briefe und besah dann seine Anlagen. Von vier bis sechs
Uhr beschäftigte er sich mit schriftstellerischen Arbeiten; er schrieb die
Denkwürdigkeiten seiner Kriege und versuchte sich auch tu französischen
Versen*). Von sechs bis sieben Uhr war Konzert; zu diesem lud er nur
Kenner oder Liebhaber der Musik ein und gewöhnlich spielte er drei
Solo's. Am heitersten war er, wenn sein Musikmeister Quanz spielte.
Ueberhaupt genoß dieser besondere Vorrechte; er allein durfte dem König
sein Bravo zurufen und, wenn fehlerhafte Stellen in Friedrich's Kom¬
positionen vorkamen, sein Mißfallen durch Räuspern anzeigen. Dann
berichtigte wohl der König sein Versehen, indem er gutmüthig sagte:
Wir dürfen doch Quanz keinen Katarrh zuziehen!" Um sieben Uhr
ainq er in derselben Gesellschaft zum Abendessen; Witz und guter Humor
war hier wie nirgend heimisch, und oft überraschte Mitternacht die hei¬
tere Gesellschaft. Während des Karnevals, den er in Berlin zubrachte,
besuchte Friedrich des Abends die italienische Oper und das französische
Theater. War er auf Reifen, um seine Truppen zu mustern, so blieb
die Zeiteinteilung dieselbe, nur daß die meisten Morgenstunden den
Waffenübungen zugewendet wurden.
Für das Französische hatte Friedrich eine entschiedene Vorliebe^
Frankreichs Kulturblüthe stand zu der Zeit von Friedrich’s Jugend auf
ihrem Gipfel. Wie französische Politik, Sprache und ©itte, herrschte sie
in Europa, vertreten durch einen Kreis von Dichtern und Schriftstellern,
deren Ruhm nicht überboten werden konnte. Damals lag unser eige¬
ner Geistesschatz, die Blüthe des achtzehnten Jahrhunderts, noch m
herber Knospe verborgen. Es war vielleicht der einzige große ^rrthum
des preußischen Heldenkönigs, daß er deutsche Kunst und Wissenschaft,
daß er die deutsche Dichtung kaum der Beachtung werth hielt. Die
Begeisterung seiner Jugend für Frankreichs Bildung und Literatur hat
er durch fein ganzes Leben festgehalten und übersehen, wie unter semen
Auaen ein viel höheres und reineres Licht in Deutschland aufzustrahlen
begann, als Klopstock und Lessing ans der tiefen Dämmerung der pe-
*)""Dies that er auch auf seinen Feldzügen, und oft schrieb er kurz vor einer
Schlacht die heitersten Briefe, die zierlichsten Verse.No full text available for this image
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