408 
deutschen Staaten hätte aufhalten können. Auch hier bemächtigten sich 
der höchsten Leitung des Staates Männer, deren Einfluß dem Gange 
der Ereignisse im Interesse Deutschlands höchst verderblich geworden ist, 
wie Haugwitz, Köckeritz, Zastrow. Kraftvolle Geister, denen das Wohl 
des Vaterlandes ernstlich am Herzen lag, und die zu entschiedenem 
Handeln drängten, konnten dem Könige nur schwer nahe kommen, und 
die ganze Trostlosigkeit der folgenden Jahre gehörte dazu, um des 
großen Patrioten Stein Worten Eingang zu verschaffen. 
Nach dem Baseler Frieden, welcher nicht weniger schimpflich 
war als der österreichische bei Campo Formio, hielt Preußen vorerst 
eine ängstliche Neutralität fest. Die Franzosen machten sich dies wohl 
zu Nutze. Sie hatten den großen Vortheil der einheitlichen That und 
des Benützens des Momentes voraus. Oesterreich erhielt als Entschä¬ 
digung für seine ungeheueren Verluste das ausgeplünderte Venedig, 
nachdem zuvor Alles, was in ihm des Besitzes werth war, nach Frank¬ 
reich geschafft worden war. 
Die Eigenmächtigkeit, mit welcher Bonaparte bei allen diesen Vor¬ 
gängen handelte, ohne zuvor die Einstimmung der Regierung zu er¬ 
warten, erregte Unzufriedenheit im Direktorium, doch war er nicht der 
Mann, sich einschüchtern zu lassen. Er sandte den General Augereau 
nach Paris, welcher mit Hülfe der ihm ergebenen Partei die Direktoren 
Carnot und Barthslemi durch eine geschickt angelegte neue Revolution 
stürzte und sie nebst elf Mitgliedern aus dem Rathe der Alten und 
zweiundvierzig Mitgliedern aus dem Rathe der Fünfhundert zur Depor¬ 
tation (Landesverweisung) verurtheilte. 
Schon jetzt hatte Bonaparte den größten Einfluß auf die Regierung 
Frankreichs ; er war durch seine Siege der Mann des Volkes und des 
Heeres geworden; in ganz Europa hatte sein Name einen gewaltigen 
Klang. Er war das Schooßkind des Sieges und des Glückes, geborener 
Kriegsminister und Herrscher, stark und schlau, heftig und unernmdet, 
tiefen und schnellen Blickes, überall nach dem Größten und Höchsten 
strebend; aber auch selbstsüchtig, unersättlich wie kein anderer Sterblicher, 
Alles auf das eigene Ich, auf seinen Ruhm und seine Macht beziehend, 
die Menschen verachtend, der Ideen spottend, beide jedoch zu seinen Zwecken 
benützend, vom Schicksal zum Werkzeug der größten Umwälzung erkoren. 
Schweigsam und in sich gekehrt, weder zu Tafelfreuden, noch anderen 
sinnlichen Genüssen geneigt, gleich den Republikanern seiner Zeit in 
Kleidung und Benehmen nachlässig und rücksichtslos, stand er schon jetzt 
als ein Höherer im Kreise seiner Genossen. Sein Geist und seine Ueber¬ 
sicht machten ihn zum Herrscher, wo er sich auch befand. Kunst und 
Wissenschaft fanden in ihm einen Beschützer, so weit es seine politischen 
Zwecke erlaubten. Seine wunderbare Allseitigkeit ließ ihn im wildesten 
Getümmel des Krieges die Interessen des Friedens nicht vergessen. Mit 
seinem Auftreten ward der unverständigen Wuth der Franzosen gesteuert,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.