62
also diejenigen ausschloß, welche den Schweizer Reformatoren anhingen.
Auch war es vor der Hand nur so weit gekommen, daß die katholischen
Landesherren sich bewegen ließen, nicht die Glaubensfreiheit ihrer pro¬
testantischen Unterthanen zu bewilligen, sondern es sollte diesen blos
freistehen, mit Hab und Gut in ein evangelisches Land auszuwandern.
Hierin lag eine Quelle namenloser Trüb- und Drangsale für Tausende
von Unterthanen in Baiern, Oesterreich, Böhmen und in den bischöflichen
Ländern. Eben so gestatteten die katholischen Fürsten den Bischöfen
nicht, zur evangelischen Kirche überzutreten und ihre Bisthümer bei¬
zubehalten. Man nannte dies den geistlichen Vorbehalt, kraft
dessen nun eine Menge Bisthümer, Abteien, Klöster und Kirchen, die
schon längst den Protestanten gehörten und säkularisirt worden waren,
der römischen Kirche zurückgegeben werden sollten. Evangelische Bischöfe
verloren, gleichwie der Erzbischof Hermann von Köln, ihre Länder;
einige Bisthümer aber, welche in den Gebieten protestantischer Fürsten
lagen, wurden mit der Zeit säkularisirt, d. h. weltlichen, aber evangeli¬
schen Herren gegeben.
Der Pabst war über den Religionsfrieden in hohem Grade er¬
bittert, und der Kaiser, verstimmt über das Fehlschlagen seiner theuersten
Pläne, trat mit seinem feierlichen Entschlüsse hervor, die Krone nieder¬
zulegen. Er übergab die Niederlande (1555) und Spanien (1556) sei¬
nem Sohne Philipp II., die deutschen und österreichischen Lande seinem
Bruder Ferdinand (1556) und zog sich dann nach Spanien, in das
Kloster St. Just in Estremadura zurück.
In der Mitte schöner Baumpflanzungen, die durch frische, aus dem
Gebirge herabströmende Bäche und Quellen belebt waren, lag das Kloster
am Abhange eines Hügels in tiefer Einsamkeit. Neben der Kirche war
dem Kaiser ein Wohnhaus erbaut; unfern davon waren die Wohnungen
für die Dienerschaft seines Hofhaltes. Seine Erholung war, unter dem
Schatten dichter Kastanien nach einer nahegelegenen Kapelle zu wandeln.
Besonders gern hörte er den Gesang in der Kirche, wozu die besten
Stimmen der Umgegend in dem Kloster versammelt wurden. Seme
Wohnung war in Verbindung mit der Kirche gesetzt, so daß er in Tagen
der Krankheit die Musik in seinem Schlafzimmer hören konnte.
Zwei Jahre verlebte er so in stiller Abgeschiedenheit, einen Theil
seiner Zeit mit mechanischen Arbeiten ausfüllend, wie er sich denn be¬
sonders gerne mit der Zusammensetzung von Uhren beschäftigte. Die
Aufrechthaltung der katholischen Religion lag ihm bis zu dem letzten
Moment seines Lebens am Herzen. „In deine Hände, o Herr, habe
ich deine Kirche übergeben/' waren seine letzten Worte. Er starb in
dem Gedanken, der sein Leben ausgemacht, den 21. September 1558.
Karl V. steht am Eingänge der neuen, oder vielmehr ant Ausgange
der alten Zeit, eine große und seltene Natur; zu kalt, zu verschlossen, zu
klug und berechnet, um unsere Sympathien zu erwecken, wohl aber be-