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wundernswürdig durch die Entschlossenheit und maßvolle Ueberlegcheit 
seines Handelns und durch seine große Selbstüberwindung. Wie anders 
dagegen Luther, welcher mit seiner Geistesmacht die Pforten der mo¬ 
dernen Geschichte eröffnet hat. 
Staat und Kirche in der Universalmonarchie abgeschlossen, das war 
der große Gedanke, dem Karl V. Alles zum Opfer brachte. Die höchste 
Befähigung und Begeisterung aber bleibt fruchtlos, wenn die Sache, 
der sie geweiht ist, dem Zuge der Zeit entgegenstrebt. So mußte er, 
obwohl äußerlich überall im Siege, der neuen Geistesrichtung unter¬ 
liegen und das Werk scheitern sehen, welches ihm allein des Lebens 
und des Herrschens werth dünkte. 
Ranke schildert den Charakter des Kaisers in seiner Doppelseitigkeit 
als durch und durch zweideutig, habgierig, unversöhnlich, schonungslos. 
„Dabei hat er," so heißt es weiter, „eine erhabene Ruhe, ein stolzes die 
Dinge gehen lassen, Schwung der Gedanken und Seelengröße. Seine 
Ideen haben etwas Glänzendes, historisch Großartiges." Vergessen wir 
nicht, daß das sich Hingeben an eine große Idee überall den kleinlichen 
Leidenschaften die Wage hält und fügen wir hinzu, daß die Mühsal und 
Ruhelosigkeit von Karl's Leben mit der Kränklichkeit seines Körpers in 
völligem Widerspruch stand, und daß er mit seiner Willensstärke gegen 
die nächsten Bedürfnisse zu kämpfen hatte. 
In dem Bade am Rheine, in welchem er zeitweise Heilung für seine 
Gichtleiden suchte, fanden ihn die Fürsten wohl „in gar demüthiglicher 
Gestalt, auf der hölzernen Bank in seiner Schlafkammer sitzend, mit einem 
Maienzweig die Fliegen sich abwehrend." Doch soll er gelächelt haben, 
wenn er sich zu Pferd erblickte, in goldenem und eisernem Schmucke. 
Man sah ihn freudig die Reihen durcheilen. Seine Kränklichkeit hielt 
ihn selten zurück von dem, was Noth that. Von Leidenschaft ward er 
sehr selten übermannt. Als zu Augsburg einer der protestantischen 
Fürsten im Eifer seiner Glaubensbelheuerung seinen Kopf als Pfand 
einsetzte, sprach der Kaiser lächelnd in seinem gebrochenen Niederdeutsch: 
„Lieber Fürst, nit Kopf ab!" Wie aber der durch Verrath gefangene 
Landgraf Philipp von Hessen vor ihm stand, halb lachend vor Trotz 
und Verlegenheit, da hob Karl den Finger: „Ich will Dich lachen 
lehren!" 
Die neue Kaiserwahl verursachte wenig Schwierigkeiten, sowohl was 
die Meinung der Fürsten, als die Einwilligung des Pabstes betrifft. 
Pius IV. zeigte sich klüger und willfähriger, als seine Vorgänger; er 
erkannte Ferdinand als legitimen Kaiser an, und indem weder dieser, 
noch ein anderer deutscher Kaiser wieder nach einer Krönung vom Pabste 
verlangte, war die Hoheit des Pabstthums, der höchsten weltlichen Macht 
gegenüber, gebrochen. 
Pius IV. nahm die Konciliensache, die nun so lange geruht hatte, 
wieder auf und beendigte das Tridentiner Koncil am 3. December 1563,
	        
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