65
Er wollte durch keine Neuerung seine schwer erkämpfte Lehre verwirrt
sehen, und Zwingli seine weiter gehenden, freieren Ansichten nicht auf¬
geben; die Lehre vom Abendmahle blieb somit ein nicht zu versöhnender
Streitpunkt zwischen Beiden. Sie gingen fortan getrennt, ein Jeder
seinen eigenen Weg. Zwingli zögerte keinen Augenblick, mit tiefstem
Ernste und mit der ihm eigenen republikanischen Strenge an die Ver¬
besserung der Kirche Hand anzulegen. Seine Predigten hatten eine
mächtige Wirkung. Er griff die obwaltenden Mißbrauche mit rücksichts¬
loser Härte an. Eines Tages schilderte er die Verantwortlichkeit der
Geistlichen so lebhaft, daß junge Leute unter seinen Zuhörern wohl auf
der Stelle die Absicht fahren ließen, geistlich zu werden. „Ich fühlte
mich," sagt Thomas Plater, „wie an den Haaren emporgezogen." Zu¬
weilen glaubte Einer oder der Andere der Anwesenden sich persönlich
angegriffen. Dann rief wohl Zwingli plötzlich: „Frommer Mann,
nimm Dir's nicht an," und fuhr in seinem Eifer fort, „ohne der Ge¬
fährlichkeit zu achten." Bald war ein großer Theil der Kantone der
neuen Lehre beigetreten. Zwingli richtete allenthalben den neuen Gottes¬
dienst ein. Die Bilder wurden aus den Kirchen genommen und die
Predigt verdrängte die Messe.
Bald aber trübte sich der Friedenshimmel in der Schweiz, da die
fünf Kantone Schwyz, Uri, Unterwalden, Zug und Luzern gegen die
Reformirten feindlich auftraten. Vergebens suchten Zwingli und viele
edle Schweizer den Frieden zu erhalten; die fünf katholischen Orte ließen
im Jahre 1531 1000 Mann in das Gebiet von Zürich einrücken. Die
Züricher waren auf diesen Angriff nicht vorbereitet und stellten dem
Feinde nur eine geringe, in Eile zusammengeraffte Mannschaft entgegen,
welche Zwingli begleitete, um sie durch seine Gegenwart und durch
seinen Zuspruch zu ermuntern. Er hatte nur geringe Hoffnung eines
günstigen Erfolges. Wir finden ihn in tiefer Nacht zu Bremgarten in
dem Hause des Prädikanten Bullinger in Berathung mit einigen Berner
Abgeordneten. Als er beim Grauen des Tages schied, da weinte er
und sprach zu Bullinger: „Gott behüte Dich, mein Heinrich, und bleibe
nur treu am Herrn Christo. Mich und manchen Ehrenmann wird es
kosten, die Kirche wird Noth leiden, Ihr werdet aber darum doch nicht
verlassen sein."
Am 11. Oktober kam es bei Kappel unfern Zürich zum Gefechte,
welches durchaus ordnungslos geführt wurde. Zwingli gerieth in das
Treffen und wurde tödtlich verwundet. Die Feinde durchzogen sieges¬
trunken und beutelüstern das Schlachtfeld, als er noch athmend dalag,
unter einem Birnbaum, die Hände gefaltet, die Augen gen Himmel ge¬
richtet. Da näherte sich ihm der Unterwaldner Hauptmann Furkinger
und ermahnte ihn, die heilige Jungfrau anzurufen. Zwingli, der nicht
mehr sprechen konnte, schüttelte mit dem Kopse, darüber ergrimmte der
Furkinger und versetzte ihm den Todesstoß.
Oeser's Weltgeschichte. IE. 7. Aufl. 5