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fiel er in feine alte Wildheit und Barbarei zurück, die sich fast bis zum 
Wahnsinn steigerte. Von Argwohn und Mißtrauen erfüllt, von unwür¬ 
digen Menschen umgeben, ward er aus einem Wohlthäter der Schrecken 
des Landes; er töbtete feinen ältesten Sohn mit eigener Hand; feine 
besten Räthe und Feldherren fielen feiner Wuth zum Opfer, oder ver¬ 
ließen ihn. Er mußte zusehen, daß der Tataren-Chan von der Krim 
Moskau in Asche legte und der damalige Polenkönig und Großfürst 
von Litthauen, Stephan Bathory, Polotzk eroberte und unaufhaltsam im 
Reiche vorrückte. Da wendete sich Iwan an den Pabst Gregor XIII., 
dem er für die Vermittelung eines Friedens mit Bathory versprach, die 
Türken mit Krieg zu überziehen. Der Pabst, in der Hoffnung, daß der 
Czar mit feinem Volke zur römischen Kirche übertreten würde, sandte 
ben Jesuiten Anton Poffevin ab, ber ben Frieden zwischen Rußlanb unb 
Polen vermittelte, kraft beffen Iwan feinen Ansprüchen auf Lieflanb 
entsagte, biefes als eine polnische Provinz anerkannte unb Esthlanb mit 
einigen russischen Stäbten nebst Jngermanlanb ben Schweden überließ. 
Des Pabstes Hoffnung ging jedoch nicht in Erfüllung; Iwan aber hatte 
noch in ben letzten Jahren feines Lebens bie Genugthuung, baß fein 
Reich burch bas westliche Sibirien, welches in feine Hänbe fiel, ansehn¬ 
lich erweitert würbe. 
Der sittliche Zustanb bes russischen Volkes blieb inbeß noch auf 
sehr niebriger Stufe. Roh unb unwissend waren bie Vornehmen; bie 
Unterthanen führten ein elenbes Leben in Knechtschaft, unter bem Un¬ 
gemache eines rauhen Klima's. Freier unb glücklicher entwickelten sich 
bie Kosaken am Dneper unb Don, bie sich burch Muth unb Tapferkeit 
sowohl bem Joche ber Tataren, als auch ber unmittelbaren Herrschaft 
ber Czaren zu entziehen wußten; doch bienten sie ben letzten als frei¬ 
willige Krieger. Wohl haben bie Russen auch jetzt noch einen weiten 
Weg zu machen, bis sie bas übrige civilisirte Europa auf ber Bahn ber 
öffentlichen Gesittung unb Volksbilbung einholen; indessen sind bie ersten 
Schritte geschehen, was in jeber Reform, sie mag politischen ober reli¬ 
giösen Inhaltes fein, das Schwerste ist. 
Zur Bildungsgeschichte. 
1. Verkehrsleben. 
Das Zeitalter der Reformation bietet neben der religiösen Ent¬ 
wickelung nicht minder eine nach allen Seiten sich ausbreitende Fülle des 
materiellen wie des geistigen Strebens. Wie Wissenschaft und Kunst, so
	        
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