Die soziale Gesehgebung.
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Verbrauchssteuern, die auf Bier, Branntwein, Zucker, Salz und
Tabak ruhen, ferner aus den Reichsstempelabgaben, wie sie z.B.
von Kaufverträgen, Wertpapieren, Wechseln, Spielkarten erhoben werden,
der Post und Telegraphie, den elsaß-lothringischen Eisenbahnen,
endlich den Beiträgen der Einzelstaaten. Der Reichshaus-
halt belief sich im Jahre 1902 auf 2304 Millionen Mark, wovon die Ein-
nahmen aus Zöllen und Verbranchssteuern aus 819 Millionen berechnet
wurden. Unter den Ausgaben stehen die Kosten des Heeres und der
Marine obenan; die Kosten für das Heer betrugen in demselben Jahre 653
Millionen, für die Marine 217 Millionen Mark. Dazu kommen u.a. die
Ausgaben zur Verzinsung der Reichsschuld, die im Jahre 1900 etwa
2y3 Milliarden Mark betrug.
Die soziale Gesetzgebung.
§ 271. Der gewaltige Aufschwung unsrer Industrie und die Um- "Der
Wandlung unsrer gesamten Volkswirtschaft hat zu einer Umbildung der sozialenstr6etterftatlb'
Verhältnisse geführt. Es bildete sich ein neuer Stand, der der Jndustrie-
a r b e i t e r: ein Stand besitzloser Lohnarbeiter, unter denen sich eine steigende
Erbitterung über die Unternehmer und über die gesellschaftlichen Verhältnisse
überhaupt geltend machte; und wie in früheren Zeiten sozialer Not, so fand
auch jetzt der Glaube zahlreiche Anhänger, alles soziale Elend könne beseitigt
werden, wenn das Privateigentum aufgehoben würde und alles, was zur Sozialismus.
Produktion dient, in den Besitz der Gesamtheit, der „Gesellschaft", überginge,
die dann dem einzelnen seine Arbeit zuzuweisen und seinen Lohn zuzuerteilen
hätte. Solche Lehren bezeichnet man im allgemeinen als sozialistisch
oder kommunistisch.
Die Erregung der Massen erreichte in den Jahren, die dem Kriege
gegen Frankreich folgten, einen hohen Grad. Wie gefährlich dieses Treiben
war, erkannte jedermann, als im Jahre 1878 auf den einnndachtzigjährigen,
geliebten und verehrten Kaiser zwei Attentate stattfanden, deren erstes Die Attentate
erfolglos war, während er bei dem zweiten schwer verletzt wurde; es war
wie ein Wunder, daß der Greis wieder genas. Jetzt schritt die Regierung
ein; zugleich aber entschloß sich der Kaiser, beraten von seinem Kanzler, die
Bahn sozialer Reformen zu befchreiten, um, soweit es möglich wäre, die Ver-
Hältnisse der Arbeiterschaft zu bessern. Mit der Kaiserlichen Bot- Kaiserliche
schaft, die Fürst Bismarck am 17. November 1881 im deutschen Reichstag
verlas, beginnt die soziale Gesetzgebung, durch die das deutsche Reich
allen anderen Staaten vorangeschritten ist.