Full text: Deutsche Geschichte für die mittleren Klassen (Teil 2)

Karl Nr Große. 
35 
Raschid zu Bagdad wechselte er Gesandtschaften und wertvolle Geschenke. 
Sein Reich war ein Weltreich; er gebot über Germanen und Romanen. Er 
war der Schirmherr der abendländischen Kirche, der Beschützer des abend- 
ländischen Christentums. Unter diesen Umständen erwachte der Gedanke, das 
abendländische Kaisertum, das im Jahre 476 sein Ende gefunden 
hatte, wieder zu erneuern. Im Jahre 800 weilte Karl in Rom, um die 
römischen Verhältnisse zu ordnen. Damals setzte ihm am Weihnachtstage der _ 
Papst Leo III. am Altar der Peterskirche die Kaiserkrone auf das^°m. 
Haupt, und das Volk begrüßte ihn unter lautem Jubel als römischen Kaiser, ^nung 
So war ein Germane Nachfolger der Cäsaren geworden. Nicht an Macht, 800. 
wohl aber an äußerem Glanz erfuhr die Stellung Karls durch die Kaiser- 
krönnng einen gewaltigen Zuwachs; in Rom aber die Kaiserkrone zu ge- 
Winnen, ist seitdem Jahrhunderte hindurch das Ziel der Sehnsucht für die 
deutschen Könige gewesen. 
Karls Regententätigkeit. 
§ 36. Karls Persönlichkeit. Karl war ein Herrscher, der mit genialer Wn- 
Einsicht und gewaltiger Tatkraft den verschiedensten Aufgaben, die ihm die 
Regierung seines weiten Reiches stellte, gerecht wurde. Von seiner Persön¬ 
lichkeit hat uns sein jüngerer Freund und Biograph Einhard ein Bild 
hinterlassen. Er war ein Mann von mächtigem Körperbau, festem Gang, 
schönem, grauem Haar und heiterem, gütigem Antlitz. Er erfreute sich bis 
in sein hohes Alter einer guten Gesundheit; durch Reiten, Jagen und 
Schwimmen härtete er den Körper ab; in Speise und Trank war er mäßig. 
Er kleidete sich nach fränkischer Weise und konnte kaum je dazu vermocht 
werden, römische Kleidung anzulegen; seine Gewänder ließ er sich von den 
Frauen seiner Familie anfertigen. Er war ein Mann von gewaltiger Willens- 
kraft und konnte in seinem Zorne furchtbar sein. Aber in ihm wohnte auch 
ein tiefes, inniges, deutsches Gemüt; er war ein zärtlicher Vater seiner Söhne 
und Töchter, die er ungern von sich ließ, ein guter Geselle seiner Freunde, 
freigebig und gütig gegen Fremde. Er war hochbegabt und konnte gut reden. 
Auch erfüllte ihn ein starker Drang nach Bildung; noch in höheren Jahren 
wünschte er nachzuholen, was man früher an ihm versäumt hatte, versuchte 
das Schreiben zu lernen und ließ sich in der Grammatik unterrichten. Mit 
feinen Freunden besprach er sich über gelehrte Dinge; selbst beim Mahle ließ 
er sich gern vorlesen. Dabei hatte er auch Sinn für die Heldensagen des 
deutschen Volkes und ließ sie sammeln; leider ist diese Sammlung unserer 
Zeit nicht erhalten geblieben.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.