Karl Nr Große.
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Raschid zu Bagdad wechselte er Gesandtschaften und wertvolle Geschenke.
Sein Reich war ein Weltreich; er gebot über Germanen und Romanen. Er
war der Schirmherr der abendländischen Kirche, der Beschützer des abend-
ländischen Christentums. Unter diesen Umständen erwachte der Gedanke, das
abendländische Kaisertum, das im Jahre 476 sein Ende gefunden
hatte, wieder zu erneuern. Im Jahre 800 weilte Karl in Rom, um die
römischen Verhältnisse zu ordnen. Damals setzte ihm am Weihnachtstage der _
Papst Leo III. am Altar der Peterskirche die Kaiserkrone auf das^°m.
Haupt, und das Volk begrüßte ihn unter lautem Jubel als römischen Kaiser, ^nung
So war ein Germane Nachfolger der Cäsaren geworden. Nicht an Macht, 800.
wohl aber an äußerem Glanz erfuhr die Stellung Karls durch die Kaiser-
krönnng einen gewaltigen Zuwachs; in Rom aber die Kaiserkrone zu ge-
Winnen, ist seitdem Jahrhunderte hindurch das Ziel der Sehnsucht für die
deutschen Könige gewesen.
Karls Regententätigkeit.
§ 36. Karls Persönlichkeit. Karl war ein Herrscher, der mit genialer Wn-
Einsicht und gewaltiger Tatkraft den verschiedensten Aufgaben, die ihm die
Regierung seines weiten Reiches stellte, gerecht wurde. Von seiner Persön¬
lichkeit hat uns sein jüngerer Freund und Biograph Einhard ein Bild
hinterlassen. Er war ein Mann von mächtigem Körperbau, festem Gang,
schönem, grauem Haar und heiterem, gütigem Antlitz. Er erfreute sich bis
in sein hohes Alter einer guten Gesundheit; durch Reiten, Jagen und
Schwimmen härtete er den Körper ab; in Speise und Trank war er mäßig.
Er kleidete sich nach fränkischer Weise und konnte kaum je dazu vermocht
werden, römische Kleidung anzulegen; seine Gewänder ließ er sich von den
Frauen seiner Familie anfertigen. Er war ein Mann von gewaltiger Willens-
kraft und konnte in seinem Zorne furchtbar sein. Aber in ihm wohnte auch
ein tiefes, inniges, deutsches Gemüt; er war ein zärtlicher Vater seiner Söhne
und Töchter, die er ungern von sich ließ, ein guter Geselle seiner Freunde,
freigebig und gütig gegen Fremde. Er war hochbegabt und konnte gut reden.
Auch erfüllte ihn ein starker Drang nach Bildung; noch in höheren Jahren
wünschte er nachzuholen, was man früher an ihm versäumt hatte, versuchte
das Schreiben zu lernen und ließ sich in der Grammatik unterrichten. Mit
feinen Freunden besprach er sich über gelehrte Dinge; selbst beim Mahle ließ
er sich gern vorlesen. Dabei hatte er auch Sinn für die Heldensagen des
deutschen Volkes und ließ sie sammeln; leider ist diese Sammlung unserer
Zeit nicht erhalten geblieben.