Viertes Buch.
Aas römische Kaisertum. Die Germanen. Die
Kirche ßhristi.
Von Augustus bis Romulus Augustulus. (31 vor Christus
bis 476 nach Christus.)
Kaiser Augustus.
(31 vor Ehr. bis 14 nach Chr.)
§ 1. Octavian war jetzt Alleinherrscher über das römische
Reich. Er ließ sich aber nicht „Herr" (dominus) nennen, weil ein
Römer nur von seinen Sklaven als „dominus" angeredet wurde. Auch
den Titel „rex" (König) nahm er nicht an, denn dieser war den Rö-
mern seit Tarqninius Snperbns verhaßt, und die damaligen Könige an-
derer Völker waren entweder Despoten, wie z. B. der Sultan der
Parther, oder sie waren die Oberhäupter barbarischer Völker, und mit
geknechteten und barbarischen Völkern wollten sich die Römer nicht zu-
sammenstellen lassen. Octavian gab sich den Anschein, als betrachte er
sich als das von dem Senat und dem Volke erwählte Oberhaupt der
römischen Republik, welchem die Aufgabe ubertragen sei, die ge-
störte Ordnung wiederherzustellen, und gewiß wären auch die Schrecken
der Bürgerkriege wieder über Rom hereingebrochen, wenn Octavian das
Steuerruder aus der Hand gegeben hätte. Er ließ sich, um die Formen
der Republik zu erhalten, zum Oberhaupte der Republik (princeps) nur
für eine bestimmte Zeit wählen, nach Ablauf derselben abermals wählen
und sich alle Ämter übertragen, durch welche er die Regierungsgewalt
erhielt. Als „Imperator" hatte er den unbeschränkten Oberbefehl
über die Land- und Seemacht, als Censor ergänzte er den Senat und
führte die Oberaufsicht über das Vermögen und die Sitten der Bürger,
als Poutifex Maximus überwachte er das Religionswesen, als
Volkstribun endlich war seine Person heilig und unverletzlich. Außer-