§. 25. Allgemeiner Ueberblick.
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III. Württemberg als Herzogthum.
Ein Zeitraum von 300 Jahren. 1495—1803,
A. Württemberg unter dem Einfluß Oesterreichs.
Ein Zeitraum von 150 Jahren. 1495—1648.
§. 25.
Allgemeiner Ueberblick.
Zwei Mittelpunkte sind es, um welche sich in dieser langen Periode 1495
alles Leben und Treiben nicht nur Deutschlands, sondern beinahe von ganz ^
Europa wie um zwei mächtige, in ihren Drehungen unaufhaltsame Achsen be-
wegt. Um den einen dieser kreist das politische Streben und Ringen der
damals gewaltigsten Länder der Erde; es ist ein Riesenkampf zwischen den Häu-
fern Habsburg und Frankreich, in welchem endlich französische List und
welscher Trug siegen. Zwar hatte man von Marimil ian I. (1493 — 1519)
erwartet, daß er sein väterliches Schwert und seine bedeutende Hausmacht zu
Nutz und Frommen des Reiches verwenden werde. Aber die Erfolge blieben
hinter den Erwartungen zurück. Wohl besaß er einen feurigen Muth und
begeisterten Eifer für das, was er für recht und edel erkannte; aber es
fehlte ihm an kluger Besonnenheit und fester Ausdauer, also gerade an
denjenigen Eigenschaften, deren jeder „Hüter.und Pollstrecker" des Gesetzes be¬
darf, deren aber besonders ein deutscher König in den damaligen Zeitumständen
bedurfte. Und leider fiel auch er bald, nach seiner Verheiratung mit Marie
von Burgund, in die Schlingen der schändlichen Politik seiner Zeit und blieb
nicht, was er versprochen hatte, „ein König des Volkes", sondern wurde „ein
König des Geldes", wie sein Vater. Das Einzige, was er zu Stande brachte,
sind der Landfrieden *) und das Reichskammergericht^) (1495). Auf
ihn folgte sein Enkel Karl Y. (1520—1556), ein Kaiser, „in dessen Reich die
Sonne nie untergieng", und ein Mann von außerordentlichen Geistesgaben.
1) Die Landfriedensordnung stellt fest, es solle niemand, wer er auch sei,
den andern anfehden, berauben, belagern; niemand ein Schloß, Stadt, Dorf k. ein¬
nehmen; die Uebertreter sollen in die Acht verfallen it. s. w.; die Strafe für den Land-
friedensbruch konnte bis auf 2000 Mark Goldes steigen.
2) Das Neichskammergericht war zunächst nur für Neichsnninittelbare, z. B.
für die Reichstädt?, im weiteren aber für jedermann eingerichtet, der mit dem Urtheil
eines niederen Gerichts nicht zufrieden war. Der erste Vorort war Frankfurt; später
kam der Gerichtshof nach Speyer, und dann nach Wetzlar. Den Unterhalt bezogen
die Richter aus dem gemeinen Pfennig, einer Reichssteuer, zu welcher jeder, der
500 fl. besaß, einen halben Guldeu, wer mehr als 1000 fl. besaß, einen Gulden (nach
Belieben des Steuerzählers auch mehr), jeder Jude ohne Unterschied aber einen Gulden
bezahlte. Prälaten, Herren, Städte mußten mehr bezahlen. Die Steuern giengen aber
nicht genau ein, so daß die Ehre, Kammerrichter des heiligen" römischen Reichs deutscher
Nation zu sein, thener zu stehen kam.