Full text: Die Geschichte Württembergs

62 III. Württemberg als Herzogthum. 
Zurückhaltend *), verschlösset, ruhig unb kühl, mit aller Be- 
rech n un g, Klugheit unb List machte er bie kühnsten Züge auf bem poli- 
tischen Schachbrett seiner Zeit. Dabei wußte er sich alle, auch bte extremsten 
Parteien nutzbringend zu machen. So mußten ihm bie protestantischen Fürsten 
Rom erobern und den Papst demüthigen unb bieser gab ihm Truppen und Geld, 
um den Schmalkaldischen Bund auszulösen. Wie sehr hat dieser Mann voll 
Zweideutigkeit nach bem alten Wort gehandelt: ,,Divide et irapera!" 2) Gran- 
vella sagt von ihm: „Er gab Versprechungen nach Zeit unb Umständen", d. h. 
er versprach etwas, wenn es ihm Nutzen brachte, aber nicht gerade immer mit 
der Absicht, es zu halten. Und Ranke schildert ihn trefflich also: „Karl V. ist 
zweideutig, durch und durch berechnend, habgierig, unversöhn- 
lich, schonungslos, und dabei hat er doch eine erhabene Ruhe, 
ein stolzes die Dinge Gehenlassen, Schwung der Gedanken und 
S e e l e n stärke". Aber auch dieser größte diplomatische Geist seiner Zeit hat 
das von ihm sich gestellte Ziel nicht erreicht. Die schon längst gelockerten Bande 
zwischen Deutschland und den Nachbarländern, sowie zwischen dem deutschen 
Reichsoberhaupt und den Reichsständen rissen vollends entzwei. Frankreich und 
England lösten die bisherige Verbindung mit dem Papst auf, und besonders die fran- 
zösischen Könige verstanden, ihre monarchische Macht durch gewaltsame Unterdrü- 
ckung der Reichsstände sicher und fest zu stellen, wie denn Richelieu sich als Aufgabe 
stellte, „die Partei der Hugenotten zu zerstören, den Stolz der Großen zu beugen, 
die Unterthanen zum Gehorsam zurückzubringen und dem königlichen Namen im 
Auslande das gebührende Ansehen wieder zu verschaffen". Wie traurig sah es 
dagegen in Deutschland aus! Kein Wunder; der Kaiser gieng mit der falschen 
Politik voraus und forgte nur für die Vergrößerung feiner Hausmacht. Jeder 
Fürst that dasselbe und gieng in der Verfolgung feines Zwecks nur zurück, wenn er 
der Uebermacht weichen mußte, um nachher mit vielleicht noch schändlicheren 
Mitteln seine Pläne durchzuführen. Man denke nur anMortz von Sachsen, 
der als protestantischer Fürst sich mit Karl V. gegen den Schmalkaldischen Bund 
verbindet, um die Kurwürde zu erlangen, nach wenigen Jahren aber gegen den 
Kaiser auftritt und, um ein tüchtiges Heer stellen zu können, gegen Hilfsgelder 
dem König Heinrich II. von Frankreich das Vefatzungsrecht der deutschen Reichs- 
statte Metz, Toul, Verdun und Cambray verspricht! Ein Reichsfürst ver-- 
fügt zu seinem Nutzen über die Selbständigkeit anderer Reichs- 
stände zu deren und des Reiches Schaden! So weit war es in 
Deutschland schon gekommen; die Saaten Karls IV. und Karls V. trugen 
reichliche Früchte; die erste große traurige Ernte dauerte 30 Jahre. Frankreich 
hatte durch die Eifersucht der Reichsstände und den Eigennutz der Habsburger 
festen Fuß in Deutschland gefaßt, und konnte, nachdem dieses in dem fürchter- 
lichsten aller Kriege dem politischen und kirchlichen Ruin nahe war, mit ihm an- 
fangen, was es wollte. Frankreichs Ziel war erreicht: — Deutschland war 
ohnmächtig und lag in französischen Banden. 
1) Sein Wahlspruch mar: „Noch nicht!" 
2) Göthe sagt: 
„Entzwei und gebiete! tüchtig Wort; 
Verein' und leite! bess'rer Hort." 
Ersteres verstaub Karl V. aus dem Grund; letzteres hat er versucht, aber mit verkehrten Mitteln.
	        
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