Full text: Von der französischen Revolution bis zur Jetztzeit (Bd. 6)

Kapitel XI. Der innere Ausbau des Deutschen Reiches. 117 
Die Kaiserproklamation. 
Während dieser Siege reifte unter der deutschen Bevölkerung die Über- 
zeugung heran, daß der volle Erfolg nur gesichert sei durch die dauernd ver- 
bürgte Einigung der deutschen Stämme. Es müsse der Anschluß Süddeutsch- 
lauds an den Norddeutschen Bund eintreten. Die würdigste Form dieses 
Zusammenschlusses sei aber das deutsche Kaisertum. Auch die deutscheu 
Fürsten kamen allmählich zu dieser Überzeugung. König Wilhelm freilich 
war der Gedanke, daß der König von Preußen gegen den Kaisertitel zurück- 
treten sollte, unsympathisch. Ebenso war den Bayern die Unterordnung 
gerade unter den König von Preußen durchaus nicht recht. Nach langen 
Verhandlungen und der Überwindung vieler Schwierigkeiten gelang es Bis- 
marck, die Einigung herbeizuschaffen. Am 18. Januar 1871 wurde im 
Spiegelsaal des Versailler Schlosses König Wilhelm zum „deutschen ^aiserproila- 
Kaiser" ausgerufen. Bayern und Württemberg wurden einige Sonderrechte i8.3an.1s71. 
wirtschaftlicher und militärischer Art gelassen. 
Der Friede. 
Nicht lange darauf sah man anch in Paris ein, daß nichts mehr zu hoffen 
sei. Alle Ausfälle waren zurückgeschlagen, dazu wurde die Stadt seit Ende 
Dezember furchtbar beschossen. Unter der Bevölkerung brach Hungersnot aus. 
Ein Pfund Butter z. B. kostete 40, eine Gans 112 Mk. Das arme Volk aß die 
billigen und zahlreichen Ratten. Die Stadt kapitulierte am 23. Januar 1871. ^,n"Pa?s°" 
Die Friedensverhandlung leitete für Frankreich der einsichtige Staatsmann 
Adolf Thiers. Nach vielem Sträuben mußten die Vertreter Frankreichs 
in das schmerzliche Opfer des Verlustes des größeren Teiles des Elsaß mit 
Straßburg und eines Drittels von Lothringen mit Metz und in die Zahlung 
von fünf Milliarden Franks einwilligen. Außerdem erlebten die Pariser das 
beschämende Schauspiel des Einzuges von 30 000 Deutschen in ihre Stadt. 
Am 10. Mai 1871 war durch den Frieden zu Frankfurt a. Main der 
große Krieg beendet. 
Gegen den gewaltigen Gewinn der deutschen Einheit und des Ansehens Die Verluste, 
unter den Völkern waren die Opfer für Deutschland nicht hoch zu nennen. 
Deutschland hat seinen Sieg mit etwa 40000 Toten und 150000 Ver¬ 
wundeten erkämpft. Demgegenüber stand ein französischer Verlust von 
150000 Toten und der gleichen Zahl an Verwundeten. Gefangen worden 
waren 600 000 französische Krieger. 
Kapitel XI. Der innere Ausbau des Deutscheu Reiches. 
§ 1. Die Verfassung des Reiches. 
Die deutsche Reichsverfassung ist aus der des Norddeutschen Bundes hervor- 
gegangen. 4 Königreiche, 6 Großherzogtümer, 5 Herzogtümer, 7 Fürsten¬ 
tümer, 3 freie Städte und das Reichsland Elsaß-Lothringen bildeten
	        
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