raublustiger Völker bilden miüssen. In diesem rastlosen und unendlich blutigen
Kampfe für heilige Interessen Europas und damit der gesammten Menschheit liegt
das bedeutendste Moment der österreichischen Geschichte; kein anderes Volk in
der Weltgeschichte kann sich einer gleich erhabenen Aufgabe und
eines gleich heiligen, durch Jahrtausende ungebrochenen Eifers
in ihrer Durchführung rühmen. Kein Volk der Erde hat ferner so
viele s<were Kriege bloß zur eigenen Vertheidigung zu führen
gebraucht.
In ganz Europa ist Oeflerreich das einzige Land von gleicher Größe, welches
zu keiner Zeit eine einheitlich e oder auch nur eine entschieden h err sch en d e Na-
tionalität gekannt hat. Kelten, Römer, Markomannen, Gothen, Hunnen, Avaren,
Franken, neuere Deutsche, Slawen, Magyaren, Mongolen und Türken vermochten in
ihre Weltreiche niemals das Ganze, sonderu nur Theile des jetzigen Staates herein-
zuziehen. Die Vorsehung selbst wollte hier Völker verschiedenen Stauimes neben ein-
ander, weil zur Rolle allseitiger Vermittlung kein auderes Land sich gleich geeignet zeigte.
So lange das übrige Europa in Kampf und unentwickelter Gährung stand,
konnten auch auf dem Boden Osterreichs die Völker sich feindlich gegenüber ftehen,
ohne den Gang der Geschichte zu hemmen. Damit jedoch eine Corsolidirung der
Staatengruppen in Europa zum Abschluß gelange, war es nothwendig, daß innerhalb
der Grenzen des jetzigen Oesterreichs die vielen Staaten in eine einzige, innig ver-
bundene Gruppe zusammensschmolzen. Diese Vereinigung hat sich im Wesentlichen zu
Anfang des 16. Jahrhunderts vollzogen, und die überraschend mächtige Entwicklung
in allen geistigen Dingen, welche die Menschheit seit der nämlichen Zeit datirt, wäre
niemals möglich gewesen, wenn nicht im Donaugebiethe aus kleinen, früher oft feind-
lichen Staaten sich eine Großmacht herangebildet hätte, welche seither den ruhenden
Pol in der wechselnden Fluth der Erscheinungen bildete. An dem unersschütterlichen
Pfeiler Oesterreich brachen sich alle Stürme der osmanischen Heere, brachen sich die
auf den gänzlichen Umsturz der politischen Welt zielenden Entwürfe Richeliens und
seiner Verbündeten, die ähnlichen Pläne Ludwig's XIV., und endlich auch noch die
dem Abschluße bereits nahegestandene Universalmonard;ie Napoleons I.
Wer die Lage Oesterreichs und seine Geschichte, wer das Verhältniß derselben
zur Entwicklung Europa’s in das Ange faßt, der rmß erkennen, daß dieser Welttheil
ohne eine starke, nach innen und außen kräftige Großmacht Oesterreich seine politische
Beständigkeit, das Verfolgen seiner geisiigen Bahnen und die Förderung der gesammten
Menschheit den ärgsten, unberechenbarsten Schwaukungen preisgegeben sehen würde.
Mit dem Zerfalle dieser Macht würde wie in den Zeiten der Völkerwanderungen ein
Faustrecht der Nationen, ein allgemeiner Verntchtungskampf hereinbrechen, welcher
vielleicht ein paar Jahrhunderte sich fortwährend erneuern und mit dem BVerschwinden
vieler edler, aber an Menge ungenügender Völker enden würde.
Osterreich ist, wie seine geographische Situation und seine historische Entwick-
lung beweist, das unentbehrlichste Glied in der Kette der europäischen Staaten, falls
diese nicht einem ungeheneren Umssturze zur Bente fallen sollen, es ist der Anker der
Civilisation so ziemlich für die ganze Menschheit.