Object: [Dritter Teil = (6. bis 8. Schuljahr)] (Dritter Teil = (6. bis 8. Schuljahr))

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Fürsten, zum Hofe der Vurgundenkönige. Da darf endlich an der Seite 
ihrer Mutter Ute auch Kriemhild zum erstenmal öffentlich erscheinen, 
und sie geht auf wie das Morgenrot aus trüben Wolken in mildem 
Schimmer der Jugend, der Schönheit und der stillen Liebe, wie der 
Mond in mildem Schimmer neben den Sternen durch die Wolken 
leuchtet. Fern steht Siegfried: „Wie könnte das ergehen, daß ich dich 
minnen sollte? Das ist ein törichter Wahn. Soll ich dich aber ver¬ 
lassen, so wäre ich lieber tot." Da heißt nach höfischer Sitte Günther 
auf Gernots Antrieb Siegfried herantreten, daß er ihre Schwester begrüße. 
Und der Held tritt heran und neigt sich minniglich vor der Jungfrau. 
Noch aber wird kein Wort gewechselt, bis nach der Messe, mit der das 
Fest begann, die Jungfrau dem Helden Dank sagt für seinen tapfern 
Beistand, den er ihren Brüdern geleistet. „Das ist Euch zu Dienste ge¬ 
schehen, Fräulein Kriemhild", antwortet Siegfried, und nun, „nachdem 
der Mund sich auch etwas getrauet", bleibt Siegfried zwölf Tage, die 
Dauer des Ritterfestes über, in der Nähe des minniglichen Mägdleins. 
Dann ziehen die fremden Gäste von dannen; auch Siegfried rüstet sich 
zur Heimfahrt; „denn er getraute sich nicht zu erwerben, wozu er hatte 
Mut" (d. h. was er wünschte). Doch leicht läßt er sich durch das Zu¬ 
reden des jungen Gieselher bestimmen, noch länger da zu verweilen, wo 
er, wie das Lied treuherzig sagt, am liebsten war, und wo er täglich die 
schöne Kriemhild sah. 
4. 
Nun war aber eine Königin gesessen jenseit der See, herrlich in 
wunderbarer Schönheit, aber auch herrlich in wunderbarer, fast unheimlicher 
Pracht. Mit Männern, die ihre Minne begehrten, warf sie um dieselbe 
die Lanzen, schleuderte sie den Wurfstein und sprang dem geworfenen 
Steine nach in kühnem Sprunge. Nur dem, der sie ohne Wanken in 
jedem der drei Spiele besiegte, wollte sie angehören. Wer unterlag, verlor 
das Haupt. Schon mancher Held war umsonst gefahren nach der Minne 
der starken Kampfjungfrau Brunhild, um niemals wiederzukehren; da 
beschließt der König Günther von Burgundenland, das Leben um ihre 
Minne zu wagen, und fordert Siegfried auf, ihm bei der Werbung zu 
helfen. Siegfried sagt zu, wenn Günther ihm seine Schwester Kriem- 
hilde zum Weibe geben wolle; Günther gelobt, dies zu tun, sobald 
Brunhild in sein Land werde gekommen sein. Mit einem Eide wird 
dieser Bund bekräftigt und das Schiff zur Abfahrt gerüstet; goldfarbene 
Schilde und reiche Gewände werden an das Gestade getragen, und aus
	        
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