Full text: Geschichte der Neuzeit (Teil 3)

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Das Zeitalter Ludwigs XIV. 
aufgezehrt waren. Goldgräber und Goldmacher, Wunderdoktoren und 
Teufelsbeschwörer nährten sich vom Aberglauben, der im Rtiegselend 
gedieh, trotz der hohen Blüte, die in der Resormationszeit die Natur- 
Wissenschaften erreicht hatten. Die Richter ließen sich bestechen, mit- 
unter von beiden Parteien: „selten fällt in einen offenen Beutel ein 
schlimmes Urteil", lautete ein Sprichwort. Aber mit Eifer folterte 
und verbrannte man angebliche Heren; erfolglos erhoben Männer 
wie der Jesuit Friedrich Spee, der sich am Bett eines Pestkranken 
den Tod holte, gegen den Wahnwitz die Stimme der Menschlichkeit. 
2. Dem leibeigenen Bauer fehlte es an Vieh und an Absatz 
für seine Erzeugnisse: in Süddeutschland begann schon die Auswande- 
mng nach Nordamerika. Die Einfuhr französischer Waren lähmte den 
Gewerbefleiß; die Zollschranken, mit denen sich jeder Staat um- 
gab, hemmten den Handel. Die Zünfte suchten nur noch die Kund- 
schaft auszubeuten. Die Städte mußten sich den Fürsten unterordnen ; 
das Volk vergaß seine Sorgen im Genüsse des Branntweins und des 
Tabaks, der, wie Zucker, Tee und Kaffee, im Anfang des großen 
Krieges allmählich in Aufnahme kam. 
3. Die Fürsten wollten auch Sonnenkönige sein: sie ahmten 
Sprache und Sitten des französischen Hofes nach und vergeudeten 
das Mark ihres Volkes in üppigen Bauten und Festen. Alles erstarb 
in kriechender Demut vor dem Landesherrn und seinen Schreibern. 
„Wenn Gott nicht Gott wäre, wer sollte billiger Gott sein als 
Ew. Hochfürstliche Durchlaucht?" so durfte ein Schriftsteller einen 
Fürsten anreden. 
4. Doch es fehlte auch nicht an pflichttreuen Regenten, die ihre 
absolute Gewalt nur zum Wohl ihrer Untertanen verwendeten: am 
kraftvollsten und wirksamsten der Große Kurfürst Friedrich Wil- 
Helm von Brandenburg. „Für Gott und das Volk!" (Pro Deo et 
populo) war sein Wahlspruch, den er auf eine Denkmünze prägen 
ließ. Er hat den brandenburgisch-preußischen Staat geschaffen, aus 
dem unser Deutsches Reich erwachsen sollte. 
5. Der Große Kurfürst. 
1. Mit zwölf Jahren geleitete Friedrich Wilhelm die Leiche 
seines Oheims Gustav Adolf in Wolgast aufs Schiff. Seine Er- 
ziehung wurde in Küstrin begonnen, in Holland vollendet. Die ora- 
nische Prinzessin Luise Henriette wurde seine erste Gemahlin; in
	        
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