Kämpfe um das Stille Meer. V 8s—92.
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9. Der Kampf um den Stillen Ozean.
1. Jahrhundertelang hatten sich China und Japan vom Welt-
verkehr abgeschlossen; nur der chinesische Hasen Kanton war europäischen
Schiffen zugänglich. In Japan wurde das Christentum, das Franzis-
kaner und Jesuiten begründet hatten, durch grausame Verfolgungen aus-
gerottet. Endlich erwirkten Amerikaner und Europäer die Öffnung der
Häfen beider Länder, und England machte aus der ihm abgetretenen
Insel Hongkong einen der größten Handelsplätze im Osten.
Kurz nachher wurde das geistliche Oberhaupt Japans, der Mikado, 1868
nach dem Sturze seines weltlichen Nebenbuhlers Alleinherrscher im „Lande
der aufgehenden Sonne". Mit beispielloser Schnelligkeit gewannen nun
die Formen europäischen Lebens die Herrschaft. Alle Japaner erhielten
Gewissensfreiheit und wurden ohne Ansehen der Kaste, der sie entstammten,
vor dem Gesetz einander gleichgestellt; die allgemeine Wehrpflicht wurde
eingeführt, und der preußische General Meckel wurde der Lehrmeister der
japanischen Offiziere, wie später von der Goltz der türkischen. Es wurden
Eisenbahnen gebaut, auf die Lehrstühle der Universität Tokio europäische
Gelehrte berufen, junge Japaner zu ihrer Ausbildung nach Deutschland,
England, Frankreich geschickt. Endlich verlieh eine Verfassung allen Ja-
panern das direkte und allgemeine Wahlrecht zum Abgeordnetenhaus,
dem ein Herrenhaus gegenübersteht.
2. Auch das Großgewerbe Japans blühte auf und bedurfte aus-
wattiger Absatzgebiete. Als aber die fast in Sehweite liegende Halbinsel
Korea den Japanern einige Häfen öffnete, widersetzte sich China, das
eine Art Oberherrschaft über Korea beanspruchte. Darüber brach ein
Krieg aus: China wurde zu Land und zu Wasser geschlagen; es mußte 1894
die Insel Formosa an Japan abtreten und Korea für unabhängig er-
klären. Gebietsabtretungen auf dem Festland vereitelte Rußland mit
Hilfe des ihm verbündeten Frankreich: es hatte sich am Amur und seinem
Nebenfluß Ussuri festgesetzt und den Seehafen Wladiwostok („Beherrsche
den Osten!") geschaffen und die ihm gegenüberliegende Insel Sachalin
besetzt, die Japan als sein Eigentum ansah; schon hatte der Thronfolger,
der jetzige Zar Nikolaus II., den ersten Spatenstich getan zu der sibirischen
Eisenbahn, die Wladiwostok mit Rußland verbinden sollte. Aber dieser
Hafen ist nur in der Hälfte des Jahres eisfrei; die Russen strebten „zu
den warmen Meeren" und erzwangen die Abtretung des Hafens Port
Artur, an der Spitze der Halbinsel Liaotung, auf die soeben Japan die
Hand gelegt hatte. Deutschland, das sich an diesem gemeinsamen Ein-
schreiten Rußlands und Frankreichs beteiligt hatte, erhielt nach einigen
Jahren die Bucht von Kiautschou in Pacht auf vorläufig 99 Jahre;