Full text: Geschichte der neuesten Zeit (Teil 4)

Die soziale Frage. Romantik; Musik und Baukunst. III 74—82. 
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8. Das geistige Leben und der Zollverein. 
1. Die politische Einigung Deutschlands hatte Metternichs „Staatskunst" 
zu hintertreiben gewußt. Daß das geistige und das Wirtschaftsleben unser 
Volk immer inniger umschlang, konnte keine Macht der Erde verhindern. 
In der Franzosenzeit hatte die Dichtung der Weimarer „Dios- 
kuren" ihre schönsten und unvergänglichsten Meisterwerke geschaffen, die 
in der immer reicheren Bewegung der folgenden Jahrzehnte Gemeingut 
aller Gebildeten wurden. Kurz vor seinem Tode (f 1832) vollendete 
Goethe seinen „Faust"; und neben diese Verkörperung des strebenden 
und irrenden Mannes trat die Verherrlichung der hingebenden Frauen- 
seele im „Fidelis", der Oper des Flamen Ludwig Beethoven. 
Um dieselbe Zeit griff die Romantik immer tiefer in die Re¬ 
gungen des deutschen Gemütes hinein; zugleich versenkte sie sich in 
den Glanz der sagenhaften Vorzeit. Herders „Volkslieder" fanden ihre Er¬ 
gänzung in „Des Knaben Wunderhorn", einer Sammlung deutscher Volks¬ 
lieder, die Achim von Arnim und sein nachmaliger Schwager Kle¬ 
mens Brentano unter Goethes freudiger Teilnahme Herausgaben. Auch 
hier stellte sich die Musik an die Seite der Dichtung: der junge Franz 
Schubert, der Sohn und Gehilfe eines mit vierzehn Kindern gesegneten 
Volksschullehrers, vertonte während der Freiheitskriege eine große An¬ 
zahl Eoethescher Lieder, und Karl Maria von Weber gründete die 
deutsche Oper. Goethes Altersfreund Zelter, von Beruf ein „Maurer- 
meister", rief in den schweren Tagen, wo Fichte seine „Reden an die 
deutsche Nation" verfaßte, in Berlin die erste „Liedertafel" ins Leben, 
und in der Schweiz entstand der erste Männergesangverein; der Schwabe 
Silcher gab dem Männergesang eine Sammlung sorgsam bearbeiteter 
Melodien zu deutschen Volksliedern; einige Zeit nachher (1843) wurde 
Zelters musikalischer Schüler Felis Mendelssohn-Bartholdy in 
Leipzig der Gründer des ersten Konservatoriums. 
2. Während der Reaktion reifte dann die darstellende Kunst 
der Deutschen. Es schenkten ihr König Ludwig I. von Bayern in beiden 
Pinakotheken und in der Glyptothek in München durch Leo v. Klenze, 
der ihm auch die Walhalla bei Regensburg baute, die Könige Friedrich 
Wilhelm III. und IV. im Museum und in der Nationalgalerie zu Berlin 
würdige Heim- und Pflegestätten. Baumeister war hier Karl Fried- 
rieh Schinkel, dem Berlin auch das Schauspielhaus, Potsdam die 
Friedenskirche verdankt und das Schloß Babelsberg, den Landsitz des 
spätem Kaisers Wilhelm. Christian Rauch aus Waldeck schmückte 
Berlin mit dem Denkmal des Alten Fritz und den Bildnisfiguren der 
Feldherren der Befreiungskriege, nicht mehr in der Gewandung römischer 
Imperatoren, sondern in der preußischen Uniform. Ludwig Schwan- 
Keller, Geschichte. Teil IV. 6
	        
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