Object: Bilder aus Hannovers Geographie und Geschichte

A. Heimatliche Landschafts- und Städtebilder. 11 
gestalteten Vorgebirgen und Landzungen in die flache Marsch hinein, 
und da das Flußmaterial sich zuweilen auch an schon früher durch 
vulkanische Kräfte aus dem Meere gehobene Inseln ansetzte, so giebt 
es auch Inseln, die halb Geest und halb Marsch sind. 
3. Der Gegensatz zwischen Geest und Marsch wird 
daher hier zu Lande immer besprochen und beschäftigt alle Leute. 
Einem rechten Marschbewohner zerfällt fast die ganze Welt in Geest 
und Marsch. Die Marsch ist niedrig, flach und eben, die Geest hoch, 
uneben und minder fruchtbar. Die Marsch ist kahl und völlig baumlos, 
die Geest stellenweise bewaldet; die Marsch zeigt nirgends Sand und 
Heide, sondern ist ein ununterbrochener fetter, höchst fruchtbarer Erd¬ 
strich, Acker an Acker, Wiese an Wiese; die Geest ist heidig, sandig 
und nur stellenweise bebaut. Die Marsch ist von Deichen und schnur¬ 
geraden Kanälen durchzogen, ohne Quellen und Flüsse; die Geest hat 
Quellen, Bäche und Ströme. 
Dieser schneidende Gegensatz tritt noch mehr hervor, wenn man 
die moralischen Verhältnisse der Bewohner untersucht. 
Die eigentümliche Beschaffenheit des Landes macht einen eigen¬ 
tümlichen Ackerbau nötig, und dieser bedingt, so wie die Art zu 
wohnen, so überhaupt die Sitten vielfach. Ganz eigentümliche Kunst 
und Kenntnis erfordert die Eindämmung und Verteidigung der Lande 
gegen die Angriffe des Meeres, die Errichtung und Erhaltung der 
Deiche. Diese Deichbauten, die dabei vorkommenden Arbeiten, die 
Schleusenanlagen und Kanalgrabungen zur Ableitung der süßen 
Gewässer erfordern so mancherlei Übung, daß nur ein Volk, das seit 
langer Zeit in einer solchen Gegend wohnt, alles das dabei Nötige 
leisten kann. Der Reichtum, den die Leute in den Marschen erlangten, 
machte sie stolz und sreiheitliebend. 
Die Möglichkeit, ihr Land und ihre Freiheit durch künstlich ver¬ 
anlaßte Überschwemmungen vor feindlichen Einbrüchen zu sichern, that 
dieser Freiheitsliebe noch mehr Vorschub, und so bildete sich denn von 
Holland und den Mündungen der Maas an bis an die Mitte der 
Halbinsel Jütland hinauf eine ganze Reihe kleiner, mehr oder weniger 
unabhängiger Marsch-Demokratien, die selbst noch heutigentags, ob¬ 
gleich sie allmählich ihre staatliche Selbständigkeit verloren haben, als 
mit besonderen Privilegien und Kommunalrechten begabte Lündchen 
bestehen. Solche Ländchen sind in Hannover und Oldenburg: das 
Land Hadeln, das Alte Land, das Land Kedingen, das Land Stedingen, 
die Landschaft Jever und viele andere. 
4. In der ganzen Welt pflegen die Bewohner zweier von Natur 
sehr verschiedener Landstriche miteinander in Opposition zu treten und 
in einer langen Reihe von Kriegen sich zu bekämpfen. So kämpften 
die armen Schweizer-Alpenhirten mit den großen Herren, die aus dem 
reichen, ebenen Burgund heranzogen. Kurz, wo man hinblickt, ist 
Wüste und Fruchtland, Inseln und Festland, Berg und Ebene mit¬ 
einander in Opposition, und so sind es an der Nordsee Marsch und 
Geest stets gewesen. Doch kamen hier, im umgekehrten Verhältnisse mit
	        
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