6 Die Völkerschaften Italiens. m. § 2.
schweren Zeiten (bei Kriegen oder Krankheiten) ihrem Hanptgotte Mars einen
heiligen Lenz (ver sacrum) zu geloben. Alles im nächsten Frühjahre Geborene.
Menschen wie Vieh, waren dann dem Mars geweiht. Das junge Vieh wurde qe-
' op/jrti bte Menschen aber, wenn sie herangewachsen waren, wurden über die Grenze
geschickt, um steh neue Wohnsitze zu erobern. Heilige, wie man glaubte, von den
Göttern gesandte Tiere dienten den Ausziehenden als Führer, und nach ihnen wurde
das neue Volk benannt. So wurden die Pi een er von einem Spechte (picus) geleitet.
Die Sabiner siedelten sich längs des Flußthales des Tiber an.
Sie waren ein frommes und abgehärtetes Volk, stets kampfbereit nach außen,
aber friedfertig und gerecht im Innern. Sie standen unter Stammhäuptern,
in gemeinschaftlichen Kriegen aber wählten sie einen Feldherrn (Imperator).
Sie trieben Ackerbau und Viehzucht. Das wackere Volk der Sabiner mit
seinen unverdorbenen Sitten und seiner moralischen Festigkeit und Gerech¬
tigkeit verlieh den Römern, welche teilweise seine Nachkommen waren, Macht
und Ansehen und war ihnen auch noch in späteren Zeiten ein Muster der
Einfachheit und Biederkeit.
Kriegslustiger als die Sabiner waren die von ihnen ausgezogenen
Sanmiter, welche sich an beiden Seiten der Apenninen Wohnsitze er¬
kämpften. Hier erhielten sie sich die einfachen Sitten der Väter. Städtisches
Leben entwickelte sich nicht besonders bei ihnen, ebenso wenig, wie bei den
Sabinern. Die Bauern beider Völker lebten auf den Abhängen und in
den Thälern der Apenninen in Dörfern zerstreut. Der Teil der Samniter
aber, welcher Campanien und die Besitzungen der Hellenen Großgriechenlands
eroberte, erlag dem Wohlleben und der Verweichlichung. Die Sieger nahmen
das civilisirte Leben der Griechen nur äußerlich an, ohne Segen aus der
Bildung und Gesittung zu gewinnen.
3. Die Sntiner, ein kräftiges Volk im Süden des Tiber,
das in Städten lebte. Bei den Latinern herrschte bürgerliche Freiheit.
Ihr Geist entbehrte zwar der Phantasie und war mehr aufs Zweckmäßige
gerichtet, aber, auf Ackerbau und Viehzucht angewiesen, waren sie abgehärtet,
ernst, stetig und voll Würde des Charakters^ Ganz Italien hatte schon
vor der Gründung Roms einen gewissen Grad von Cultur erlangt und war
eines der blühendsten Länder Europas. In Latium insbesondere herrschte
damals _ ein allgemeiner Wohlstand, wie später nicht wieder. Und dies hatte
wohl seinen Grund darin, daß jeder Bürger mit Hülfe seiner Söhne sein
kleines Grundstück selbst bebaute. Noch in den späteren Zeiten Roms war
es eine Ehre, ein guter Landwirt zu sein. Dadurch nun, daß der Herr
seinen Boden selbst bebaute und ihm die nötige Sorgfalt angedeihen ließ,
machten sich die Übelstände weniger geltend, welche in Latium die Boden¬
cultur erschwerten.
Die Ebene von Latium hat stets wechselnde Erhöhungen und Senkungen des
Bodens. In den Senkungen bilden sich im Winter Lachen, deren Verdunstung in
der Sommerhitze eine böse, Fieber hervorrufende Luft (von den jetzigen Italienern
aria cattiva genannt) veranlaßt. Durch fortwährende Bodencultur läßt sich dieselbe
einigermaßen verbannen. In der alten Zeit wurde der leicht zu bearbeitende Boden
denn auch stark benutzt, und in der schädlichsten Zeit zog der Landmann in die
Stadt. Ein gutes Schutzmittel gegen diese böse Lust war ihm auch das Tragen von
Tiervließen und schweren Wollstoffen und das auf dem Herde beständig lodernde,
luftreinigenbe Feuer.
Handel trieben die Bewohner Latiums wohl auch, aber nur in so
weit, daß der größere Grundbesitzer seine überflüssigen Früchte nach dem
Ausland brachte. Mit den Griechen von Sicilien und der Südküste, sowie
mit Karthago stand Latium schon früh in solchem Handelsverkehr.