m § Z Allgemeines über die Religion der Römer. 7
Es gab 30 zu einem Bunde bereinigte Städte in Latium. Jede
Stadtgemeinde besaß ihren eigenen Fürsten oder König, der unter Mit¬
wirkung des Rates der Alten (des Senates) und der Versammlung der
Wehrmänner regierte. In Kriegszeiten wurde ein Diet ator gewählt.
Alb alonga hatte den Vorrang unter den Städten des latinischen Bundes.
Der Mittelpunkt der Vereinigung der Latiner war das alljährlich auf dem
Alb an er berge gefeierte latinifcheFest (feriae*Latinae). Dabei brachte der gesamte
Stamm dem latinischen Gotte Jupiter Latiaris ein Stieropfer, zu welchem jede
Gemeinde ein Gewisses an Vieh, Milch und Käse lieferte und dagegen ein Stück
vom Opferbraten erhielt. Damit verknüpft war eine politische Versammlung an der
Quelle der Ferentina (latinische Quell-Göttin).
Von den Etruskcrn entlehnten die Nömer zum Teil ihr Religions- und
Culturleben, den äußerliche» Prunk ihrer Götter sowohl, als ihrer Könige. Aus
den edlen Geschlechtern der Sabiner bildete sich zum Teil das Patriziat der Römer,
und aus den Latin cm ging der römische Plebejerstand hervor.
I. Abschnitt.
Mythologie und Sagenzeit der Römer.
§ 3.
Allgemeines über die Religion der Römer.
Der ursprüngliche Götterglaube der italischen Völkerschaften war dieselbe ein¬
fache Natur religio u, wie dte aller Jndogermanen, welche insgesamt ziemlich
dieselben Götter verehrten. Unter den Jndogermanen waren die Griechen mit
einer besonders lebhaften Einbildungskraft begabt, und sie schufen sich aus den ur¬
sprünglich von ihnen verehrten Naturmächten eine reiche Götter- und Mythenwelt.
Ihre Götter wurden zu Persönlichkeiten.
Anders war es bei den Römern und allen italischen Völkern, welche
einen vorzugsweise aus das Praktische (das zu den Lebensbedürfnissen Gehörende)
gerichteten Sinn hatten. Die bildende Phantasie umkleidete bei ihnen nicht die
Götter mit einer bestimmten Persönlichkeit, legte ihnen nicht Empfindungen, Gedanken
und Handlungen bei, ähnlich denen der Menschen. Sie bildeten keine eigentlichen
Göttersagen aus. Das Großartige, das bei den Orientalen die den Göttern zu
Grunde liegenden Nnturanfchauungen haben, benahmen die Römer ihren Göttern,
welche mehr Begriffswefen waren. Dagegen entwickelte sich bet den Römern sehr der
Dienst, den sie den Göttern widmeten. Ihre Religion war ihnen eine Sache des
Gewissens und der Pflicht. Durch eifrigen Gottesdienst, Gebete und Opfer
suchten sie die Kräfte der Natur für sich zu gewinnen, sich geneigt zu machen. Zahl¬
reiche sachverständige Priester hatten bei den einzelnen Göttern die religiösen Ge¬
bräuche zu verrichten. Der Priesterstand nahm darum bald eine einflußreiche (nickt
aber eine herrschende) Stellung bei ihnen ein.
In den ältesten Zeiten verehrten die italischen Völkerschaften (Sabiner,
Latiner u. a.) ihre Götter in der freien Natur, ohne Tempel und Bildnis.
Sie beteten auf Berghöhen zu den Göttern des Himmels, in heiligen Hainen
und unter geweihten Bäumen. Auch die Verehrung der Flusse und Quellen
und des Feuers war unter ihnen sehr verbreitet. — Die Sabiner verehrten
vorzugsweise den Sonnengott Sol, die Mondgöttin Luna, die Erdgöttin
Fer onra; Mars, Quirinus (auch eine Speer- und Kriegsgottheit)
und Inno. — Die Latiner verehrten Jupiter und Juno, den Erdgott
Saturnus, die Mondgöttin Diäna und ihren Gemahl, den Sonnengott
Janus.
*) Feriae sind Feier- oder Ruhetage.