Lieder.
159. Für meine Söhne.
1. Hehle nimmer mit der Wahrheit! 4. Wo zum Weib du nicht die Tochter
Bringt sie Leid, nicht bringt sie Reue; Wagen würdest zu begehren,
Doch, weil Wahrheit eine Perle, Halte dich zu wert, um gastlich
Wirf sie auch nicht vor die Säue! In dem Hause zu verkehren!
2. Blüte edelsten Gemütes 5. Was du immer kannst, zu werden,
Ist die Rücksicht; doch zuzeiten Arbeit scheue nicht und Wachen;
Sind erfrischend wie Gewitter Aber hüte deine Seele
Goldne Rücksichtslosigkeiten. Vor dem Karrieremachen!
3. Wackrer heimatlicher Grobheit 6. Wenn der Pöbel aller Sorte
Setze deine Stirn entgegen; Tanzet um die goldnen Kälber,
Artigen Leutseligkeiten Halte fest: du hast vom Leben
Gehe schweigend aus den Wegen! Doch am Ende nur dich selber!
Storm.
160. Gebet.
Herr, den ich tief im Herzen trage, sei du mit mir!
Du Gnadenhort in Glück und Plage, sei du mit mir!
Im Brand des Sommers, der dem Manne die Wange bräunt,
Wie in der Jugend Rosenhage, sei du mit mir!
z Behüte mich am Born der Freude vor Übermut,
Und wenn ich an mir selbst verzage, sei du mit mir!
Gib deinen Geist zu meinem Liede, daß rein es sei,
Und daß kein Wort mich einst verklage, sei du mit mir!
Dein Segen ist wie Tau den Reben; nichts kann ich selbst,
10 Doch, daß ich kühn das Höchste wage, sei du mit mir!
O du mein Trost, du meine Stärke, mein Sonnenlicht,
Bis an das Ende meiner Tage sei du mit mir!
Gꝛribel.
161. Denk' es, o Seele!
1. Ein Tännlein grünet wo, 2. Zwei schwarze Rößlein weiden
Wer weiß, im Walde, Auf der Wiese,
Ein Rosenstrauch, wer sagt, Sie kehren heim zur Stadt
In welchem Garten? In muntern Sprüngen —
Sie sind erlesen schon, Sie werden schrittweis gehn
Denk' es, o Seele, Mit deiner Leiche;
Auf deinem Grab zu wurzeln Vielleicht, vielleicht noch eh'
Und zu wachsen. An ihren Hufen
Das Eisen los wird,
Das ich blitzen sehe!
Morike.
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