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eben so breit war, stieg ein ungeheurer Thurm gerade in die Höhe. 
Auf diesem stand ein 2ter, weniger lang und breit; auf diesem ein 
3ter, 4ter, 5ter, 6ter, 7ter und Ster. Eine Treppe führte von außen 
hinauf. Ganz oben fand man eine Kapelle, in welcher nichts als 
ein Ruhebette und daneben ein goldener-Tisch stand, für den Gott, 
wenn er dort einmal schlafen wollte. 
Auch schreibt man ihr den Bau der schwebenden Gärten zu. 
Das waren große und dicke Mauern von verschiedener Höhe, durch 
große darauf gelegte Quadern verbunden, auf welchen eine Decke 
ruhte, welche die eigentlichen Gärten trug. Denn hier war so viel 
Erde aufgehäuft, daß die größten Bäume Wurzel faßten. Unter¬ 
halb, zwischen den Mauern, waren Pumpenwerke angebracht, die 
das nöthige Wasser heraufschafften. An ein eigentliches Schweben 
der Gärten muß also nicht gedacht werden. Aber lustwandelte man 
oben unter den hohen Bäumen und zwischen duftenden Blumen, so 
ahnte man nicht, daß man sich auf dem schräg ablaufenden Dache 
eines ungeheuren Gebäudes befände. 
Und von all dieser Herrlichkeit ist nichts mehr übrig, als einige 
unförmliche Schutthaufen, die man für natürliche Berge hielt, bis 
man sie näher untersuchte, und durch Ausgrabungen eine Menge 
Backsteine mit eingedrückten Buchstaben oder Zeichen und andere 
Ueberreste der Riesenstadt fand; denn sie wurde eben so wie Ni¬ 
nive theils aus gebrannten, theils an der Sonne getrockneten Stei¬ 
nen erbaut, die durch Erdharz und dazwischen gelegtes Rohr an 
einander gekittet wurden, wovon man noch setzt in jenen Trümmer¬ 
haufen viele Spuren sieht. 
Trotz aller Pracht und Herrlichkeit hat die große Semiramis, 
seit sie durch Ninos ihrem ersten Manne (einem Feldherrn des Ninos) 
entrissen wurde, nie wieder glücklich gelebt. Sogar ihr eigener Sohn 
(Ninvas) stellte ihr nach dem Leben, und es ist nicht unwahrschein¬ 
lich, daß es ihm endlich gelungen sei, sie umzubringen. 
Die nach Semiramis lebenden Könige verweichlichten nach und 
nach, wie das in jenem warmen Klima so leicht geschieht. Der letzte 
unter ihnen, Sardanapal, war ein rechtes Gegenstück zu der 
männlichen Semiramis; an ihm sieht man, wie ekelhaft ein Mann 
sei, der weiblichen Geschäften sich hingiebt und sich aller männlichen 
Tugenden entäußert, eben so wie jene Königin das widrige Schau¬ 
spiel eines männlichen Weibes gab. Sardanapal, statt jinit fester 
Hand das Staatsruder zu führen, ließ sich vor Keinem sehen, saß 
den ganzen Tag unter seinen zahlreichen Weibern, webte wollene 
Kleider, trug selbst einen Weiberrock, schminkte und putzte sich wie 
ein Weib. Auch gab er sich Mühe, eine weibliche Stimme zu be¬ 
kommen, und schwelgte bei der Tafel Tag und Nacht. Da empörten 
sich gegen ihn zwei seiner Statthalter und belagerten Ninive mehrere 
Jahre/ Der König aber verzweifelte an seiner Rettung, errichtete
	        
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