Full text: Das Mittelalter und die Neuzeit (Teil 2)

ihnen Prophetengabe zu; daher sie ihren Rat nicht verschmähen und ihre Aussprüche 
nicht unbeachtet lassen." 
2. Staats- und Kriegswesen. Die alten Germanen waren ein Volk 
der F r e i e n; ausgedehnt war die Selbständigkeit und das Recht der einzelnen 
Volksgenossen, „die Freiheit ein germanisches Gut". Neben den 
Gemeinfreien gab es Edelinge (Adel), die durch altberühmtes Geschlecht 
und Reichtum hervorragten, aber keinen bevorrechteten Stand bildeten. Recht- 
los waren die Unfreien, meist Kriegsgefangene, die als (leibeigene) Knechte 
einem Herrn dienten. — Aus der Vereinigung mehrerer benachbarten Familien 
entstand eine Gemeinde; mehrere Gemeinden bildeten einen Gau. Gemein- 
same Angelegenheiten beriet und entschied die Volksg emeinde, zu der 
rille Freien zu bestimmten Zeiten, bei Neumond oder Vollmond, im Waffen- 
schmuck zusammentraten. An der Spitze der Gaue standen die Fürsten 
(Vorsteher), die aus den angesehensten und erfahrensten Männern gewählt 
wurden. Für den Krieg wurde der tapferste der Fürsten zum Heerführer oder 
Herzog erhoben. Bei einigen Stämmen gab es auch K ö n i g e, die aus den 
durch großen Grundbesitz und alten Heldenruhm hervorragenden Geschlechtem 
durch Erhebung auf den Schild erkoren wurden. An einem allgemeinen 
Kriege mußte jeder wehrfähige freie Mann teilnehmen; das Aufgebot aller 
Wehrhaften hieß Heerbann. Auf einzelnen Waffenfahrten begleitete den 
Häuptling ein Gefolge von Jünglingen, die durch ein enges Band der 
Treue auf Tod und Leben mit ihm vereinigt waren. 
§ 4. (67.) 
Religion. 
1. Die Götter. Der Götterglaube der Germanen ging von der Natur- 
betrachtung aus und spiegelte wie die Gemütstiefe, so das kampfbewegte 
Leben des Volkes wieder. Die gewaltigen Naturmächte, vor allen die Leben 
und Segen spendende S o n n e und die fruchtbringende Erde, ferner die nn- 
bezwingliche Helden kraft, die in den Schlachten den Sieg erkämpft, — 
das waren des Volkes Gottheiten. 
Als höchster Gott wurde der Wind- und Sturmgott Wuotan oder 
Wodan (Odin) verehrt, der Gott der alldurchdringenden Luft, der All- 
vater und Weltlenker, der jeglichen Segen spendet und namentlich das höchste 
der Güter, den Sieg in der Schlacht, verleiht. Er thront in W alh all auf 
goldenem Hochsitz; zwei Raben auf seinen Achseln flüstern ihm Kunde vom 
Stande der Welt ins Ohr, zu seinen Füßen strecken sich zwei Wölfe. Das 
ganze Weltall überschaut der Gott von diesem Hochsitz aus; nichts entgeht 
seinem Blicke. Wenn er über die Erde hinfährt, ist er in einen blauen (Wolken-) 
Mantel gehüllt und trägt einen breitrandigen Hut auf dem Haupt. In den
	        
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