Full text: Kurze Geschichte der deutschen Dichtung (Anh)

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„Lied von der Glocke" und anderen wertvollen Gedichten die stattliche 
Reihe seiner großen Dramen, zunächst noch in Jena „lv all enstein", 
dann, nachdem er 1799 nach Weimar übergesiedelt war, „Maria 
Stuart", „Die Jungfrau von Orleans", „Die Braut von 
Messina" und „Wilhelm Teil" (1799—1804). Leider endete des 
Dichters Leben allzufrüh; am 9. Mai 1805 wurde er der Welt „mitten 
in der vollendetsten Reife seiner geistigen Kraft entrissen und hätte — 
so sagt sein Freund w. v. Humboldt — noch Unendliches leisten 
können." Goethe überlebte den treuen Genossen um 27 Jahre, und 
seine dichterische Tätigkeit dauerte fort bis ins hohe Greisenalter. 
Unter den größeren Werken seiner späteren Periode ist besonders 
„Rus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit" hervorzu¬ 
heben , eine ebenso anziehende als gehaltreiche Schilderung seiner 
Jugendzeit. Dann erschien der „w est östliche Diva n", eine Samm- 
lung von Gedichten in morgenländischem Gewände, aus denen uns die 
Lebensweisheit des alternden Dichters heiter entgegenleuchtet. Die 
großartigste aller Dichtungen aber, die er geschaffen, ist die Tragödie 
„5 au st", nicht lange nach der Vollendung des Faust starb Goethe, 
dreiundachtzigjährig, am 22. März 1832. Seine Dichterwirksamkeit 
umfaßt sechzig Jahre (1772—1832). Goethe ist Deutschlands größter 
Dichter, Schiller der Lieblingsdichter des deutschen Volkes. 
2. Schillers und Goethes Zeitgenossen. Unter den Zeit¬ 
genossen Schillers und Goethes war der beliebteste Schriftsteller Jean 
Paui; er besaß fast den Ruf der großen weimarischen Dichter. Rls • 
Volksdichter zeichnete sich Hebel aus. Der etwas jüngere Hölderlin 
sang in den weisen des Altertums gedankenreiche Lieder. 
Jean Paul Friedrich Richter» gewöhnlich Iean Paul genannt (1763 
bis 1825), gehört zu den humoristischen Schriftstellern. Er mar ein geist- und 
phantasievoller Dichter, der durch feines Naturverständnis und zarte Empfindung, 
durch das flhnungsreiche und Schwärmerische wie durch die Bild erfülle seiner aller¬ 
dings oft formlosen Darstellung sich die Gunst seiner Zeitgenossen, insbesondere die 
Verehrung der Frauen erwarb. Unserer Zeit sind seine einst vielbewunderten 
Schriften fast fremd geworden. Am meisten sprechen uns noch die Idyllen an, 
in denen er sein engbegrenztes Jugendleben darstellt. 
Johann Peter Hebel (1760—1826) schrieb alemannische Gedichte in 
der Mundart des badischen Oberlandes, die nicht allein köstliche Naturschilderungen 
enthalten, sondern auch das Volksleben mit unübertroffener Innigkeit abspiegeln 
und verklären, hervorragend sind z. B. seine Idyllen: „Die Wiese", „Sonntags» 
frühe". Kräftiger noch als m den alemannischen Gedichten erklingt der Volkston in 
Hebels „Erzählungen des rheinischen Hausfreundes", die an lebens- 
frischer Darstellung und treuherzigem Humor kaum ihresgleichen haben.
	        
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