188 Die Neuzeit.
3. Der Bauernstand. Am allermeisten von allen Ständen hatte der
jeder Unbill ausgesetzte Bauernstand erdulden und verlieren müssen. Zug-
und Nutzvieh gab es fast gar nicht mehr. Haus und Hof waren zerstört
oder verfallen, die Flur war größtenteils unbebaubar. Die Greuel, denen
man die Bauern unterworfen hatte, um immer und immer wieder etwas
von ihnen zu erpressen, schrieen gen Himmel. In Busch und Sumpf hatten
viele eine Zufluchtsstätte gesucht, aber der Hunger und die ihnen angeborene
Liebe zu dem Grund und Boden, den schon ihre Väter bearbeitet, trieben
sie immer wieder zurück. Freilich zogen es gar manche vor, in die Städte
zu ziehen, die doch mehr Sicherheit des Lebens boten, oder als Buschklepper
den Soldaten nach Möglichkeit Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Mit
dem Landmann hatte auch der Grundherr ungeheuren Schaden gehabt; aber
während für die Reichsritter vom Kaiser Ausschub der Zinszahlung ver¬
ordnet wurde, steigerte man erbarmungslos die Lasten, die den Bauern
von Staat, Kirche und Grundherrn aufgebürdet waren. Die Kulturarbeit
auf dem Gebiete der Landwirtschaft war fast von vorn zu beginnen. Die
Äcker mußten von Dornen und Wurzelwerk befreit, die Wiesen von Steinen
und Schlamm gereinigt, die Bäche und Flüsse neu eingedämmt werden.
Haus und Gehöft waren wiederherzustellen, die Wege zu verbessern, Vieh
und Geräte zu ersetzen. Hierzu waren aber viel Geld und viele Arbeits¬
kräfte nötig, beides sehr schwer zu beschaffen. Jenes lieh man zu hohen
Zinsen aus der Stadt, diese waren bei dem starken Menschenverlust selten
und daher hoch im Lohn. So kam es, daß viele Dörfer und Fluren wüst
blieben und man noch heute in vielen Gegenden Deutschlands auf Stellen trifft,
an denen der Name einer alten Ortschaft im Andenken der Nachbarn haftet.
Die Grundherren aber benutzten die Not der Zeit, um den Bauer
noch mehr von sich abhängig zu machen, noch mehr Bauernstellen einzu¬
ziehen (zu „ legenz/). Sie mehrten eigenmächtig die Fronen, die die Bauern
zu leisten hatten, nötigten die Kätner, Büdner und Häusler zu größeren
und längeren Handdiensten und führten für die heranwachsenden Kinder der
Gutsuntertanen den Gesindezwang ein. Die ehedem freien Bauern in
den alten Wendenländern östlich der Elbe, die ursprünglich nur einen kleinen
Zins an den Grundherrn zu zahlen hatten, wurden meistens zu Pächtern,
im östlichen Holstein, Mecklenburg und Vorpommern zu wirklichen an die
Scholle gefesselten Hörigen erniedrigt. Die auf den verödeten Stellen vom
Grundherrn angesiedelten sremden Leute wurden ebenfalls Pächter. Da der
Grundherr auch Gericht und Polizei ausübte, war die Bauernschaft ganz
in seiner Hand. Allen wurde das Recht der Freizügigkeit durchaus ge¬
nommen. Völlig wehrlos, mußte sie sich das alleinige Jagdrecht des Grund¬
herrn gefallen lassen, das sie zur unentgeltlichen Stellung von Treibern
verpflichtete und ihre Äcker dem Wildschaden preisgab. Die kleinen Leute,
Büdner, Häusler u.f. w., mußte aber der Gutsherr ebenso wie die Insten,
Arbeiter, Tagelöhner im Falle der Arbeitsunfähigkeit versorgen.
4. Die Städte. Nicht ganz so schlimm, außer wenn der Feind die
Stadt mit stürmender Hand genommen hatte, war es dem Bürgerstand
ergangen. Einige der größten Plätze, wie Hamburg, Leipzig und
Frankfurt am Main, vermochten sich noch ferner am europäischen Handel