64 Geschichte der alten Welt. §. 84.
Zu Baktra wurde das glänzende Vermählungsfest gefeiert. Es sollte das
Zeichen sein, daß nun der Kampf zwischen Griechenland und Asien zu Ende
sei. Von der Zeit an wollte Alexander als persischer Großkönig gelten und
entlehnte daher immer mehr die Formen und das prunkende Hofgepränge
orientalischer Despoten. Er empfing die Asiaten im niedischen Königsgewand
und mit der königlichen Kopfbinde; er nahm die Kniebeuyung und die ab¬
göttische Verehrung wohlgefällig an; er umgab sich mit persischen Stabträaern
und Hofdienern. Die besiegten Völker sollten in ihm nicht den Eroberer, son¬
dern ben rechtmäßigen König erblicken. Dieses Benehmen verdroß die maee-
donischen Großen; selbstsüchtig und übennüthig wollten sie den Überwunde¬
nen das Joch der Gewaltherrfchaft auflegen und murrten, daß Alexander fie
ihnen gleichstelle. An der Spitze der Unzufriedenen stand Parmenio, der
alte Warner, und sein tapferer, aber heftiger und hochfahrender Sohn Philötas,
der Anführer der Leibgarde. Sie weckten in dem Heere das Verlangen nach
der Heimath, damit der Feldzug beendigt, die Beute vertheilt würbe. Zu
Prophthasia, im Lanbe ber Dranger, bildete sich eine Verschwörung. Sie
würbe entbecEt, unb als bei ber Untersuchung Philotas als Mitwisser erschien,
würbe er int Lager zum Tobe verurtheilt unb von ben Lanzen ber Kampf-
329. genossen burchbohrt. Unb bamit nicht ber Vater Parmenio, ber mit einer
starken Besatzung zu Ekbaiana bie Schatze hütete, von bem Vorfall Kunde er¬
halte und vom Könige abfalle, empfingen zwei Hauptleute den Auftrag, den¬
selben zu ermorden. Sie nahten sich dem Arglosen, als er sich im Schloß-
garten der niedischen Hauptstadt erging, und versetzten ihm die Todeswunde.
Im nächsten Jahr, als Alexander bereits sich zum indischen Feldzug rüstete,
hatte eine ähnliche Veranlassung eine andere dunkle That zur Folge. Bei
einem Opferfest in Marakanda wurde das Freudenmahl bis tief in die
Nacht verlängert, Alexander nahm in der Mitte seiner Großen daran Theil
und wurde von griechischen Schmeichlern und Sophisten über alles Maß ge-
388 priesen. Dies reizte den Mitus, einen heftigen Kriegsmann, der dem König
am Granicns das Leben gerettet, zum Zorn. Er führte verletzende Reden
gegen Alexander, die bei zunehmender Aufregung endlich in bittere Schmä¬
hungen übergingen. Ergrimmt über die Hohnreoen, riß endlich der König
einer Wache die Lanze aus der Hand und schleuderte sie auf den Feldherrn,
daß er blutend zu Boden stürzte, eine rasche That, der die tiefste Reue folgte.
Verzweiflungsvoll warf sich Alexander auf den Leichnam und betrauerte den
Stödten drei Tage lang in feinem Zelte ohne Schlaf, ohne Speise, ohne
Trank. Auch der Philosoph und Geschichtschreiber Kallisthenes, des Ari¬
stoteles Neffe, verscherzte durch tadelnde Reden die Gunst des Königs. Er
wurde in Ketten dem Heere nachgeführt, bis er einer Krankheit erlag.
§. 84. Obgleich die Macedonier wiederholt ihre Unzufriedenheit über die
unbegrenzte Eroberungssucht ihres Gebieters kund gegeben, so zog doch Alexander
327. weiter, um auch die sagen- und wunderreichen Länder am Indus zu unter¬
werfen. Aber die streitbaren, von ihren Büßern und Priestern angefeuerten
Bewohner des nördlichen Indiens fetzten ihm einen kräftigern Widerstand
entgegen, als die feigen Unterthanen des Perserkönigs. Mehr als einmal
schwebte bei Erstürmung der festen Burgen Alexanders Leben in der höchsten
Gefahr. Die Feindschaft der einheimischen Fürsten gegen einander erleichterte
den Macedoniern die Einnahme des Fünfstromlandes. Einige von ihnen ver¬
banden sich mit Alexander gegen Porus, den mächtigsten dieser Fürsten jen-
326. seits des Hydaspes (Dschelum). Der Uebergang über diesen Fluß im An-
geficht des Feindes und die darauf folgende Schlacht, in welcher der tapfere
Porus verwundet und gefangen wurde, gehören zu den größten Kriegsthaten