Full text: Erdkundliches Lesebuch für höhere Schulen

8. Ergebnisse der Kolonisation. 
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ihre Stellung neben den Zeugnissen der Geschichte; sie gehören zu den Merk- 
malen eines Volkes. 
Bei der Beantwortung aller dieser Fragen leistet die Geschichte der Geo¬ 
graphie wesentliche Dienste, indem sie ihr Beispiele aus der Vergangenheit zum 
Vergleich mit der Gegenwart bietet. Die Geographie wiederum liefert der Ge¬ 
schichte das Material zur Kenntnis des Bodens, auf dem die geschichtlichen Be¬ 
wegungen vor sich gehen. Der Frage, ob man sie darum nur als Hilfswissenschaft 
der Geschichte ansehen solle, stellt Kant die Frage entgegen: Was war früher da, 
Geschichte oder Geographie? und antwortet: Die Geographie liegt der Geschichte 
zugrunde, denn die Begebenheiten müssen sich doch auf etwas beziehen. Keine 
Wissenschaft ist nur Hilfswissenschaft, jede aber ist zu einem Teil Hilfswissenschaft 
einer anderen oder mehrerer anderer. Wir faffen in dieser vergleichenden Erdkunde 
überall Geographie und Menschheitsgeschichte als S ch w e st e r w i ss e n sch a f t e n 
in demselben Sinne wie Geographie und Erdgeschichte auf. Dem Geographen, 
der gewöhnt ist, jede tellurische Einzelheit in ihrem Zusammenhang mit der ge¬ 
samten Erde zu sehen, und der auch das Volk nicht anders denn als Glied der 
Menschheit und als Bestandteil des Planeten auffassen kann, kommt die Beschrän¬ 
kung der Geschichte auf die sogenannten Gefchichtsvölker willkürlich vor. Den Ge- 
schichtsschreiber stört nicht die Lücke zwischen geschichtlichen und geschichtslosen 
Völkern, denn er bannt seinen Blick in den Kreis der Schriftvölker. Der Geograph 
aber, der die gesamte Menschheit zu überschauen hat, leidet darunter. Hier ist z. B. 
ein wichtiger Punkt, an welchem die Geschichtswissenschaft von der größeren Weite 
geographischer Anschauung Gewinn ziehen kann. Wer eine neue umfassende Dar- 
stelluug der Weltgeschichte, wie die Helmoltsche, mit den Fragmenten vergleicht, 
die man sonst Weltgeschichte nannte, wird den Fortschritt anerkennen, zu dem die 
Geographie den Anstoß gegeben hat. 
8. Ergebnisse der Kolonisation. 
Von Alexander Supan1). 
Die Kolonisation hat eine neue Periode von Völkerwanderungen 
eröffnet. Nicht bloß die weiße Rasse hat sich über einen großen Teil der Erde aus¬ 
gebreitet, auch die Neger haben infolge des Sklavenhandels in Amerika eine neue 
Heimat gefunden. Diese Bewegung ist nun zum Stillstand gekommen, dafür hat 
eine andere eingesetzt: die asiatische Wanderung, von der man aber noch nicht sagen 
kann, ob sie das ethnographische Bild der Erde dauernd verändern wird. 
Für uns ist die Verbreitung der w e i ß e n Rasse am wichtigsten. Wir haben 
in dieser Hinsicht drei Arten von Kolonien zu unterscheiden: I.Einwanderer- 
k o l o n i e n oder reine Siedelnngskolonien, in denen die Weißen das entschiedene 
Übergewicht besitzen; 2. Mischkolonien, in denen zwar auch Weiße dauernd 
Die territoriale Entwicklung der europäischen Kolonien. Mit einem kolonialgeschicht-- 
lichen Atlas. Gotha, Justus Perthes, 1906, S. 307 ff.
	        
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