Full text: Das Mittelalter und die Neuzeit (Teil 2)

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führen suchen, bald sein Ohr verschließen und anerkennen wird, daß der 
deutsche Staat für ihn in recht ausgedehntem Maße gesorgt hat. 
§ 95. 
Handel und Verkehr, Kunst und Wissenschaft. 
Der Verkehr ist im Laufe des 19. Jahrhunderts ein ganz anderer ge- 
worden. Im Anfange des Jahrhunderts führten wenige Heerstraßen durch 
unser Vaterland und auch diese halten den Vergleich mit den jetzigen 
Chausseen nicht aus. Die Nebenstraßen waren noch viel schlechter und nach 
einigen Regentagen für Lastfuhrwerk nicht zu befahren. Die Maaren wurden 
auf Frachtwagen befördert, auf breiten und langen, mit sogenannten Plan- 
laken bedeckten Wagen, deren Achsen starke Räder trugen; vor manchen 
solcher Wagen spannte man zehn und mehr schwere Pserde. In das Gebirge 
hinauf führten keine Fahrstraßen; da trat das Lasttier, der Esel und das 
Maultier, an die Stelle des Wagens. Den brieflichen und den Personen- 
verkehr vermittelte die Post in — nach unseren jetzigen Begriffen — un- 
beholfenen Gefährten; der Volksmund sprach scherzend von der Postschnecke. 
Der reisende Kaufmann führte einen eigenen Wagen oder besuchte seine 
Kunden zu Pferde, seine Kleider und seine Waarenproben staken im Mantel- 
sack, der an den Sattel geschnallt war. Heute hat sich der Verkehr durch die 
Eisenbahn, den Telegraphen, das Telephon so gehoben, daß wir uns in die 
früheren Verhältnisse kaum noch recht hineindenken können. Wie der Land- 
so ist der Seeverkehr fortgeschritten. Vor fünfzig Jahren noch fuhr ein 
Schnellsegler von Liverpool nach New-Aork etwa 30 Tage; heute legt 
ein Schnelldampfer die weite Strecke in fechs Tagen zurück. 
Wie der Verkehr, so hat sich im Laufe des Jahrhunderts die Industrie 
gewaltig gehoben, seitdem an die Stelle der Menschenhand die Maschine 
getreten ist. Seit der Begründung des deutschen Zollvereins (1834) ist 
Deutschland zu einem Jndustrielande geworden und wetteifert auf dem aus- 
ländischen Markte mit England. Der Bearbeitung des Eisens allein dient 
in Deutschland eine halbe Million Männer, die Gewebeindustrie zählt fast 
eine Million Arbeiter. Mit diesem Wachstum der Industrie hängt eine 
andere Erscheinung unserer Zeit zusammen; die Bevölkerung drängt nach 
den Städten und diese wachsen, sobald sie Industriestädte werden, gewaltig 
an. So hat sich die Einwohnerschaft Berlins in den letzten vier Jahrzehnten 
um eine Million vermehrt; Dortmund in dem westfälischen Industriegebiete 
zählt jetzt mehr als 80,000 Bewohner, während es im Anfange des Jahr- 
Hunderts etwa 10,000 hatte.
	        
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