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bedurfte. Da er aber immer mit ihnen handeln mußte, so konnte er
nicht über bestimmte Staatseinnahmen verfügen. Jeder weiß aber, daß
man mit einer bestimmten Summe, wenn sie auch klein ist, besser haus¬
halten kann als mit einer ungewissen größeren, und so setzte es denn
Friedrich Wilhelm durch, daß ihm von den Ständen der verschiedenen
Provinzen jährlich eine bestimmte Summe bewilligt wurde.
Nur in der Provinz Preußen wollte man von dieser Neuerung
nichts wissen. Besonders der Adel, welcher wegen der früher persönlich
geleisteten Kriegsdienste noch steuerfrei war, obgleich schon an die Stelle
des Ritterheeres ein Söldnerheer getreten war, widerstrebte dem Landes¬
herrn. Da machte dieser kurzen Prozeß. Einen Obersten, der den
König von Polen gegen den Kurfürsten um Hilfe bat, ließ Friedrich
Wilhelm in Warschau verhaften und hinrichten. Einen Bürgermeister
von Königsberg, der auch widerspenstig war, ließ er ins Gefängnis werfen.
So setzte er zum besten seines Volkes seinen Willen durch und
zwang die preußischen Stände zur Huldigung.
Jetzt hatte der Kurfürst gesicherte, bestimmte Mittel zur Schaffung
eines neuen Heeres, welches den brandenbnrgischen und deutschen
Namen hoch geachtet gemacht hat und die Grundlage des heutigen
Reichsheeres bildet.
Er entließ die 3000 zuchtlosen Söldner und warb neue Sol¬
daten. Diese wurden durch den alten Derfflinger, der früher in schwe¬
dischen Diensten das Kriegswesen gelernt hatte, zu hervorragend tüchtigen
Truppen ausgebildet. (Deutsche Jugend 4, Der alte Derfflinger.) Im
ganzen brachte es der Kurfürst bis auf 28000 Mann, welche aber nur
im Kriege zusammen waren. Im Frieden hatte man nur Besatzungen
in ben Festungen, die nötigen Wachtposten und Offiziere auf Halbsold,
im ganzen etwa 6000 Mann. Von ben Fnßsolbaten war nur ein Glied
mit Musketen (Musketiere), die beiden anderen mit Piken bewaffnet
(Pikeniere). Die Reiter zerfielen in die fast voll gepanzerten Kürassiere
und die leichten Dragoner, welche zu Pferde und zu Fuß kämpfen
konnten. Die Artillerie war noch sehr gering.
Durch dieses Heer erreichte Friedrich Wilhelm Bedeutendes: Er trat
im Westfälischen Frieden so fest auf, daß er bedeutende Erwerbungen
machte (S. S. 79.) Welche? In dem sogenannten schwedisch-polnischen
Kriege siegte er 1656 über die Polen bei Warschau und erlangte im Frie¬
den von Oliva 1660, daß seine Lehnsabhängigkeit vom König von Polen
gelöst wurde. Er war jetzt als Herzog von Preußen ein völlig unab¬
hängiger europäischer Fürst, der auch gegen den Kaiser Krieg führen
konnte, da Preußen nicht zum Reiche gehörte. (Vgl. Heinrich der Löwe
S. 34—37, welcher Lehnsmann des Kaisers war.)
Für die Bewohner seiner zerstreuten Gebiete war es von ganz be¬
sonderer Wichtigkeit, daß sie in Reih und Glied neben einander für
dieselbe Sache kämpften, und daß dadurch das Bewußtsein der Zusammen¬
gehörigkeit in ihnen rege gemacht wurde.
Endlich konnte Friedrich Wilhelm kräftig und erfolgreich in die
Raubkriege Ludwigs XIV. eingreifen.