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Irländer Scotus Erigena an seinen Hof zog; einer der ersten 
Gelehrten seiner Zeit war Erzbischof Hincmar von Rheims. 
In Deutschland schien das wissenschaftliche Leben seit dem 
Tode des grofsen Rhabanus Maurus, des Abtes von Fulda 
und Erzbischofs von Mainz (j* 856), welcher das Trivium 
und Quadrivium als Grundlage der gelehrten Bildung im Mittel¬ 
alter festsetzte, fast erloschen. Der Laie verlernte Schreiben 
und Lesen und die Geistlichkeit beschäftigte sich vorwiegend mit 
der wirtschaftlichen Verwaltung ihres umfassenden Güter¬ 
besitzes, während sie sowohl dadurch wie auch durch rücksichts¬ 
volles Eingehen auf die heidnischen Vorstellungen den bäuerlichen 
Gemeinden den Christenglauben lieb zu machen wufste. Diese Um¬ 
bildung der christlichen Grundideen durch heidnische Anschauungen 
zeigen der Heliand (s. o.) und Otfrids Evangelienharmonie. 
In erschreckendem Gegensatz zu dem vielfach rohen, doch inner¬ 
lich gesunden Leben der deutschen Stämme steht die furchtbare 
Verwilderung der romanischen, besonders italienischen Welt, wo 
durch die sittliche Entartung aller Stände, die Verderbnis des 
Geschmacks, im Süden auch durch den Einflufs des Islam das 
Christentum seinem Untergang entgegen zu gehen schien. Doch 
wurde das 910 gegründete Kloster Cluny in Aquitanien bald 
Ausgangs- und Mittelpunkt einer ernsten Reform. (Vgl. Zeit¬ 
tafeln S. 49 f.) 
B. Die Germanen des Nordens. 
Dem Verfall der Germanenweit auf ursprünglich römischem 
Boden steht gegenüber die ungebrochene Kraft der von der 
römischen Kultur unberührt gebliebenen Stämme des Nordens, 
die zwar wild und verheerend in die morsche Welt des Festlands 
einbricht, aber zugleich daheim und in der Ferne in grofsen 
Staatenbildungen schöpferisch sich äufsert. 
1. Die Gründung der nordischen Reiche. Während 
in England Alfred der Gr of se (871—901) den grofsartigen 
Neubau einer angelsächsischen Staats- und Rechtsordnung auf 
christlicher Grundlage durchführte, wurden bei den... heidnischen 
Nordgermanen der Däne Gorm und der Norweger Harald 
Harfagr die Gründer volkstümlicher Königreiche. Hier wie dort 
wurde der Adel verjagt und auf die See getrieben zu kühnen 
Zügen in die Ferne, die zurückgebliebene Bevölkerung zur Unter¬ 
werfung unter das Königtum genötigt. Das Christentum fand nur 
allmählich Eingang, in Dänemark erst durch Knud d. Grofsen 
(f 1035), welcher die Dänen in England zur Herrschaft brachte 
und auch über Norwegen die Oberherrschaft gewann.
	        
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