96 Mittlere Geschichte.
gläubigen zu kämpfen, erhielten sie eine höhere, fast geistliche Weihe, und es
entstanden denn auch neben den Mönchs- die Ritterorden der Johanniter
(Rhodiser, Malteser), Templer (meist Franzosen) und Deutschritter. Der
Deutschorden wurde vor Akkou auf dem dritten Kreuzzug gestiftet und
widmete sich später der Bekehrung der heidnischen Preußen (seit 1230)
und der Verbreitung der christlichen Kultur in den Ostseeländern'. Durch
die erneute Bekanntschaft mit dem Orient wurden auch die Handelsver-
binduugeu zwischen Abend- und Morgenland neu geknüpft. Besonders
folgten italienische Kauffahrer den Spuren der Kreuzfahrer, und der See-
Handel Italiens nahm seitdem einen ganz bedeutenden Aufschwung (Genua
und Venedig) und förderte wiederum den Überlandhandel (Augsburg, Ulm,
Nürnberg). Endlich gewann die Kirche durch manche Erb- und Pfandschaft
nicht unerhebliche Reichtümer, während der Staat den Abgang vieler un-
ruhiger Köpfe mit Freuden begrüßte. Größer aber als diese äußeren,
materiellen Folgen waren die geistigen, wie sie in der Kultur der Hohen-
stansenzeit zum Ausdruck kamen, ein Fortschritt, der den militärischen Miß-
erfolg der Kreuzzüge vergessen läßt.
VI. Interregnum.
(1254—1273.)
Kapitel 66.
Die deutsche Krone bei ausländischen Fürsten
§ 1. Nach dem Tode Wilhelms von Holland (Januar 1256) kam es
zu einem Doppelkönigtum. Ein Teil der Fürsten wählte (Januar 1257)
1 Der Papst ließ die Kreuzfahrt gegen die heidnischen Preußen predigen.
1231 Darauf setzte im Frühjahr 1231 eine Ordensschar über die Weichsel ins Knlmerland.
Sie gründete die Städte Thorn und Kulm und außerdem viele Ordensburgen,
z. B. 1233 Marienwerder und 1237 Elbing. Man rief Bauern und Bürger, aber auch
Adelige, namentlich aus Mitteldeutschland, als Ansiedler herbei. Es folgte dann von den
Weichselmündungen aus die Eroberung der Ostseeküste bis Königsberg (gegründet
1245). Die wütenden Aufstände der Preußen gegen die Zwingherrschaft endeten alle
mit ihrer völligen Ausrottung, Verknechtnng oder Vertreibung, und im Jahr 1238
war niemand mehr, der nicht seinen Nacken dem Orden und der römischen Kirche
demütig gebeugt hätte. Alle Lande, wenn auch ihrer alten Bevölkerung beraubt, waren
dem Deutschordensgebiet einverleibt. Seit 1309 war Marienburg, der geographische
Mittelpunkt, auch der Hochsitz des Ordensstaats.
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