Full text: Deutsche Geschichte von 1519 bis 1871, Übersicht über die württembergische Geschichte (Teil 4 = (Obertertia))

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Neue Geschichte. 
einzelnen Bundesmonarchien und die Reichsstädte, untereinander zum Schutz 
des Bundesgebiets und des innerhalb desselben gültigen Rechts, sowie zur 
Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volkes einen ewigen Bund geschlossen 
haben. Folglich kann aus dem Deutschen Reich kein Bundesglied freiwillig 
austreten oder gegen seinen Willen ausgeschieden werden. Preußen aber 
hat durch seinen Eintritt in diesen ewigen Bund aufgehört, eine selbständige 
europäische Großmacht zu sein, und kann auch ohne Verletzung seiner 
Bundespflicht keine preußische, sondern nur noch eine deutsche Politik treiben. 
Andererseits ist Deutschland durch das Aufhören einer eigenen inter- 
nationalen Stellung der kleinen Staaten, wie sie seit 1648 bestand, von 
Spott und Schaden befreit. Das nationale Prinzip ist zwar nicht ganz 
rein durchgeführt. Es fehlen die deutschen Stämme Österreichs, und auf 
der andern Seite sind Millionen Angehörige eines fremden und den 
Deutschen abgeneigten Stammes dem Deutschen Reiche einverleibt. Erweitert 
aber ist das Reich durch Ost- und Westpreußen, Posen, Schleswig und 
Elsaß-Lothringen, die alle vordem nicht zum Deutschen Bunde gehört hatten. 
Somit ist das Reich eine neue, selbständige Schöpfung und nicht etwa die 
Fortsetzung eines früheren Zustandes. Dem Kaiser stehen die ihm als 
Oberhaupt des Reiches zugeteilten Rechte erblich und ohne persönliche 
Verantwortlichkeit zu. Er vertritt das Reich dem Ausland gegenüber; unter 
ihm steht die gesamte Land- und Seemacht; er beruft, eröffnet, vertagt und 
schließt den Bundesrat und Reichstag; er ernennt und entläßt den Vorsitzenden 
des Bundesrats, den Reichskanzler, und die übrigen Reichsbeamten. Doch 
in wichtigen Angelegenheiten1 ist er an die Zustimmung des Bundesrats 
gebunden. Der Bundesrat selbst kann durch den Reichskanzler Gesetzes- 
vorlagen an den Reichstag gelangen lassen oder vom Reichstag beschlossene 
Gesetze verwerfen. Den Anstoß hiezn kann jedes Bundesglied geben. Der 
Bundesrat beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit. Gegen Bundesglieder, 
die ihre verfassungsmäßigen Verpflichtungen nicht erfüllen, kann der Bundes- 
rat die Exekution (Reichsacht) beschließen, die dann vom Kaiser vollstreckt 
wird. Aber auch das Volk hat seinen Anteil an der Reichsverwaltung, ja 
ohne eine volksvertretende Versammlung wäre mit Sicherheit eine fast ein- 
stimmige Zurückweisung dieser Neugestaltung Deutschlands durch die öffeut- 
liche Meinung erfolgt. Diese Volksvertretung neben dem Bundesrat, der 
Deutsche Reichstag, geht aus dem allgemeinen, unmittelbaren, geheimen 
Stimmrecht hervor. Er besteht aus 397 Mitgliedern (darunter 17 aus 
Württemberg), die auf 5 Jahre gewählt werden. Jeder unbescholtene 
1 So namentlich bei Kriegserklärungen oder Friedensschlüssen. 
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