Das Königreich Württemberg.
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verschwand, und die Verwaltung des Landes eine noch geordnetere und gerechtere
wurde als früher. So hob sich denn auch der Wohlstand Württembergs. —
§ 3. Unter der Regierung seines einzigen Sohnes und Nachfolgers, des
Königs Sari I. (1864—1891), fuhr Württemberg fort, sich auf allen Gebieten 1864
des Kulturlebens hervorragend zu betätigen. Handel und Gewerbe nahmen
einen ganz bedeutenden Aufschwung; das Eisenbahnnetz wurde vermehrt; die
Universität Tübingen und das höhere Schulwesen überhaupt gepflegt; die Bau-
gewerkfchule und die Technische Hochschule gegründet, und das einzigartige Werk
der Albwasserversorgung ins Leben gerufen. Den Ereignissen von 1870 und 1870
dem Eintritt Württembergs ins Deutsche Reich folgte für Württemberg
ein abermaliger Aufschwung seiner Verhältnisse, wofür den sprechendsten Beweis
die zur Großstadt^ gewordene Landeshauptstadt mit ihren Prachtbauten liefert.
König Karl, todkrank von einem Herbstaufenthalt auf feinem Jagdschloß Beben-
hausen nach Stuttgart zurückgekehrt, starb daselbst im Residenzschloß und ward in
der Schloßkapelle beigesetzt. —
§ 4. Karl hatte feine Kinder gehabt, und so kam die Regierung an seinen
Neffen, den Enkel Wilhelms I., der als König Wilhelm II. feit Oktober 1891 1891
im Sinne feiner beiden Vorgänger regiert, zugleich als treuer und freudiger An¬
hänger von Kaiser und Reich. Mit seinem Namen bleibt dauernd verknüpft die
Verleihung der Neuen Verfassung (16. Juli 1906). Dadurch wurde die Ver-
fassung König Wilhelms I. in wesentlichen Punkten den Forderungen und Wünschen
des Volks entsprechend abgeändert. Darnach gliedert sich die Ständeversammlung
zwar nach wie vor in zwei Kammern, in die Erste Kammer und die Zweite
oder die Kammer der Abgeordneten, aber die Zusammensetzung der beiden
Kammern ist eine andere geworden.
Die Erste Kammer besteht 1. aus den Prinzen des Königlichen Haufes;
2. aus den Häuptern der fürstlichen und gräflichen Familien, auf deren Be-
sitzungen vormals eine Reichs- oder Kreistagsstimme geruht hat, und den Häuptern
der gräflichen Familien von Rechberg und von Neipperg; 3. aus höchstens 6 vom
König auf Lebenszeit ernannten Mitgliedern; 4. aus 8 Mitgliedern des ritter-
schaftlichen Adels; 5. aus dem Präsidenten des Evangelischen KonsistyrÄums; dem
Präsidenten der Evangelischen Landessynode und 2 evangelischen ^Gmeralsuper-
intendenten; ferner aus 1 Vertreter des Landesbischofs nebst dem Domkapitel
(Bischöfl. Ordinariat) und 1 von den katholischen Dekanen aus ihrer Mitte ge¬
wählten Mitglied; 6. aus je 1 Vertreter der Universität Tübingen und der Tech-
nischen Hochschule in Stuttgart; 7. aus je 2 Vertretern des Handels und der
Industrie, 2 Vertretern der Landwirtschaft und 1 Vertreter des Handwerks — zu¬
sammen gegenwärtig aus 50 Mitgliedern.
Die Kammer der Abgeordneten besteht 1. aus je 1 Abgeordneten eines jeden
Oberamtsbezirks' 2. aus 6 Abgeordneten der Stadt Stuttgart und je 1 Ab¬
geordneten der sogenL)„guten" Städte: Tübingen, Ludwigsburg, Ellwangen,
1 Im Jahre 1400 zählte Stuttgart 4600 Einwohner; 1648 bloß 4500; im
1875: 107000; 1880: 117 000; 1890: .140000 Einwohner,