Full text: Die Alte Geschichte (Theil 1)

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7. Viehzucht. 
Unter den mancherlei Thieren, von denen sich die Menschen umgeben 
sahen, bemerkten sie mehre, die nicht so scheu wie die übrigen in die 
Wälder zurückflohen, sondern sich leicht an sie gewöhnten. Das wollige 
Schaf, die milchreiche Ziege und Kuh, das ausdauernde Kameel, das 
muthige Pferd, — lauter friedliche Geschöpfe, die der Mensch täglich 
beobachten, mit denen er sich täglich bekannter machen konnte. Er sah, 
wie sich die Jungen an der Brust ihrer Mutter nährten; wie aus dem 
vollen Euter die schöne, weiße Milch hervorquoll. Er kostete sie selbst 
und fand sie erquickend und stärkend. Jetzt suchte er die Zahl dieser zahmen 
Thiere zu vermehren. Er trieb sie langsam von einer Weide zur anderen. 
So willig wie die alten, folgten ihm auch ihre Jungen. Sie liefen ihm 
schon von selbst nach, wenn er sich nur eben entfernte, und hastig spran- 
gen sie herbei, sobald er sie anrief. Er rief sie gewöhnlich nach der 
Stimme an, die jedes Thier von sich hören ließ; — ganz nach Art der 
Kinder, denen das Lämmchen V l ä, die Ziege M ä, die Kuh Bu heißt. 
Denn der Mensch auf der niedrigsten Stufe der Bildung steht dem Kinde 
am nächsten. Und wirklich sind noch in den alten Sprachen solche be- 
zeichnende Laute in den Namen der Thiere hörbar. Wir selbst benennen 
noch den Kukuk, den Kakadu, den Kibitz, die Krähe und andere Vögel, 
wie auch vierfüßige Thiere geradezu nach ihrer Stimme, oder doch nach 
einer anderen Heroorragenden Eigenschaft. 
Nicht lange durfte aber der Hirt in derselben Gegend bleiben. Er 
mußte vielmehr, sobald das eine Feld abgeweidet war, mit seiner Heerde 
weiter ziehen und ein frisches suchen. Wo er eine Zeitlang verweilte, 
da schlug er sein Zelt auf. Er bedurfte dazu bloß eines großen, festen 
Stabes, der in die Erde gesteckt, und der Bekleidung, die an demselben 
vermittelst kleiner Stäbe nach allen Seiten ausgespannt wurde. Diese 
Bekleidung bestand anfänglich ans Thierhäuten; später aber, nach Er- 
stndung der Spinn- und Webekunst, aus Leinen. Unter solchen trag- 
baren Zelten wohnte der Hirt mit Weib rnd Kind, ruhig und vergnügt, 
umgeben von seinen Heerden, die im fröhlichen Gedränge umherweideten 
und die vollen Euter ihnen zur Labung entgegen trugen. Die Bibel 
nennt uns Jabel als den ersten, welcher unter Zelten wohnte. War 
die Gegend wasserlos, so grub man eine Grube, die man Cisterne 
nennt, um hierin das Regenwasser zu sammeln. In den anderen Erd- 
theilen ziehen noch wohl jetzt ganze Volkstämme so mit ihren Heerden
	        
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